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Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens

Titel: Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Evers
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rief sie
unterwegs mit lauter Stimme, »… sie müssen etwas mit dem Säulenmonument zu tun haben.« Während sie in leichtem Trab über
den Sand lief, peilte sie immer wieder über die Schulter hinauf
zur Pyramidenspitze und zu den oberen, gebogenen Enden der
Säulen und korrigierte dabei ständig ihre Laufrichtung. Nerolaan
bemühte sich, ihr zu folgen, ohne dabei wie eine watschelnde
Sumpfente zu wirken. Nach einer Weile wurde Marina langsamer,
blieb schließlich stehen, wandte sich der Pyramide zu und hüpfte
freudig wie ein kleines Mädchen auf der Stelle auf und ab. »Hier!
Hier ist es!«, rief sie triumphierend und deutete zur Pyramide
hinauf. »Sieh nur!«
    Nerolaan baute sich hinter ihr auf und reckte seinen langen Hals
so über sie hinweg, dass er seinen Kopf direkt in ihre Sichtlinie
hielt. Bald verstand er, was sie meinte. Übers Trivocum brummte
er ihr eine anerkennende Bestätigung zu. Begeistert und glücklich
trat sie unter ihm hervor, machte zwei Schritte, reckte sich in die
Höhe und drückte ihm einen Kuss auf den mächtigen Oberkiefer.
    Vorsichtig wandte er den Kopf. Du hast mich geküsst!, stellte er
verblüfft fest.
Mit gerunzelter Stirn und in die Seiten gestemmten Fäusten trat
sie ein paar Schritte zurück und musterte ihn von oben bis unten.
Ja, bestätigte sie, es war so eine plötzliche Eingebung. Und? Passiert nichts?
W-was soll passieren?, fragte er verwirrt.
Ein Lächeln strich über ihre Züge. Na, was schon.
Verwandelst du dich in einen Prinzen? Einen schönen Jüngling?
Oder wenigstens in eine Kröte? Nun schien er zu verstehen. Zum
ersten Mal glaubte Marina, im Gesicht des Drachen so etwas wie
ein Lächeln zu erkennen. Erst beim zweiten Kuss, erwiderte er.
Aber sieh dich vor. Ich bin berüchtigt für meine Manneskraft.
Sie lachte laut auf. Eine Nacht mit einer liebestollen Kröte?
Nein, da küss ich dich lieber doch nicht mehr.
Sie trat wieder zu ihm, legte eine Hand auf seinen Kiefer und
küsste ihn, nach kurzem Zögern, doch noch einmal. »Du bist so
anders geworden, Nerolaan«, sagte sie leise. »Gar nicht mehr so
steif und förmlich, wie ihr Drachen sonst seid.«
Er musterte sie aus seinen katzenartigen, schwarzgelben Augen
und antwortete nach einer Weile: Du hast einen großen Platz in
meinem Herzen, kleine Marina. Im Moment wünschte ich wirklich,
ich wäre dieser Prinz oder Jüngling, von dem du sprachst, und
könnte dich wieder küssen. Marina erschauerte. Lange studierte
sie das Drachengesicht, das allein schon so groß war wie sie
selbst. Es war wohl eine echte Liebeserklärung gewesen, was sie
gerade vernommen hatte.
Für ihre eigene Gefühlswelt war es kein Problem, Liebe für ein
Wesen wie einen Drachen zu empfinden, und wenn er noch so
groß und fremdartig war. Aber sie hätte nicht gedacht, dass ein
Drache je einen Menschen lieben könnte. Sie fühlte sich einfach
zu klein, um die Gefühlswelt eines so gewaltigen Wesens ausfüllen zu können.
Nach einer Weile seufzte sie und legte wortlos die Arme um seinen riesigen Schädel, um ihn zu umarmen. Seine ledrige Haut
war warm und von einer für einen Menschen ungewohnten Art
Lebenskraft erfüllt. Sein Geruch war ihr fremd und doch vertraut,
aber sie fühlte keinen Widerwillen und fragte sich, wohin das führen mochte. Würde sie Geheimnisse über die Drachen entdecken,
die vor ihr noch kein Mensch erfahren hatte? Würde sie einen
Blick in die Seele dieser erstaunlichen Wesen werfen können? Ich
liebe dich auch, du riesige Bestie, antwortete sie. Vielleicht wird
ja eines Tages noch eine anständige Kröte aus dir. Sie wandte
den Kopf und flüsterte übers Trivocum: Siehst du die Linie? Die
hintereinander Hegenden Enden der gebogenen Säulen? Von hier
aus sehen sie so ähnlich wie Treppenstufen aus – links und rechts
der Pyramidenspitze. Ja, ich sehe es. Die Sonnenfenster dort
oben werden schon langsam heller. Bald wird die Sonne direkt
dahinter stehen.
Marina gab ihm einen letzten flüchtigen Kuss, ließ ihn los und
trat ein paar Schritte zurück. Nerolaan hob den Kopf, als er sah,
dass sie den Sandboden musterte. Er sprang ein Stück zur Seite,
als sie die Linie weiter bis zu dem Punkt verfolgte, wo sie den
Boden traf. Sie ließ sich auf die Knie nieder und wischte im Sand
umher, während sie immer wieder zur Pyramidenspitze aufsah
und die genaue Blicklinie maß. Nach einer Weile erhob sie sich
wieder. »Nichts zu finden. Der Bereich ist schließlich auch nicht so
klein. Ganz genau

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