Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
Kreis
im Sand niedergelassen und wiegten die massigen Schädel, während sie sich übers Trivocum miteinander austauschten.
»Meriu… was?,« Er schüttelte den seufzte. Kopf und »Himmel –
all diese Vokale!«
Sie blickte zu ihm auf. »Gefällt dir der Name nicht? Die Drachen lieben klangvolle Namen; Namen, die man singen kann. Sie
singen nämlich.«
»Sie singen? Wirklich? Das wusste ich nicht.«
Roya nickte eifrig. »Ja, aber ganz leise nur. Halb in Gedanken,
halb mit dem Mund. Das tun sie nur, wenn sie ganz allein und in
sich versunken sind. Aber die Melodien sind wunderschön.«
Marko lächelte. Das war es, was er so an ihr liebte – ihre feinen
Sinne und ihr Mut, sich jederzeit dazu zu bekennen.
Unter anderem.
»Nein, nein«, nahm er das Thema wieder auf. »Ihre Namen gefallen mir. Aber ich kann sie mir nicht so leicht merken. Vielleicht
sollte ich sie singen.« Sie strahlte ihn an. Nach einer Weile begriff
er, dass er gerade einen Punkt bei ihr gemacht hatte. »Komm«,
flüsterte er und erhob sich. »Ich will dir endlich zeigen, was Izeban und ich für die Drachen gebaut haben. Drüben beim See.«
Roya brauchte eine Weile, bis sie sich vom Anblick des kleinen
Drachen lösen konnte. Er war noch sehr ungelenk und hilflos,
weniger als zwei Tage alt. »Es wird über vier Jahre dauern, bis er
zum ersten Mal fliegt«, erklärte sie.
In diesem Augenblick schreckte die Drachenversammlung drüben auf der Sandbank auf. Nacheinander erhoben sie sich und
flogen in schneller Folge davon. Roya und Marko beobachteten
die Drachen schweigend, bis auch der letzte fort war.
»Vier Jahre?«, meinte Marko schließlich. »Da hast du ja noch
reichlich Gelegenheit, ihn zu besuchen und ihm beim Wachsen
zuzusehen. Nun komm, sonst bin ich beleidigt.« Roya erhob sich
und sprang munter an ihm vorbei auf eine flache Felsplatte, die
zum >Hinterausgang< der Bruthöhle führte. Behände erklomm
sie die Felsen und gelangte rasch hoch hinauf bis zu einem natürlichen Sims. Marko nahm sich die Zeit, sie den ganzen Weg über
zu beobachten – in ihrer grazilen und eleganten Art, sich zu bewegen. Ein warmes, leidenschaftliches Gefühl breitete sich in ihm
aus, und er wünschte sich, Roya nie wieder zu verlieren.
»Nun komm schon, du schwerfälliges Mannsbild!«, rief sie hinunter, als sie oben auf dem Absatz angekommen war. Breitbeinig und mit in die Seiten gestemmten Fäusten stand sie da und
maß ihn mit gespielt verächtlichen Blicken.
Er sprang energisch los, um zu ihr zu gelangen. Roya stieß einen leisen Schrei aus, machte auf dem Absatz kehrt und rannte
davon. Marko stöhnte – er wusste, was ihm jetzt blühte: eine
aufreibende Verfolgungsjagd. Und er wusste auch, dass er sie
nicht kriegen würde – nicht in so einem Gelände wie dieser Drachenkolonie. Sie befanden sich in fast vier Meilen Höhe mitten im
Stützpfeiler von Malangoor. Hier gab es ein ausgedehntes Höhlensystem mit vielen großen und kleinen Tunneln, gewaltigen
Felshallen, zahllosen Seen, Wasserfällen, Bächen und sogar einem stellenweise recht üppigen Pflanzenbewuchs. Alles war erleuchtet durch Drachenfeuer – magische Lichtquellen, die wie
brennende Kugeln unter den Felsdecken der Höhlen schwebten,
große und kleine, helle und schwach leuchtende. Sie waren nur
eines der vielen Geheimnisse der Drachen, die sie erstmals hier
oben erblickt hatten. Roya war stolz darauf, zu den ersten Menschen zu gehören, die ungehindert eine Drachenkolonie betreten
durften. Gewiss hatte sich nie zuvor ein Mensch Gedanken darüber gemacht, wie die Drachen in ihren Kolonien in den Stützpfeilern der Höhlenwelt lebten. Da sie von hoher Intelligenz waren
und auch über hohe moralische Werte verfügten, war es eigentlich völlig klar, dass sie nicht wie niedere Tiere in irgendwelchen
Löchern hausten. Was allerdings eine richtige Drachenkolonie
alles zu bieten hatte, war selbst für die Menschen von Malangoor
eine Überraschung gewesen.
Die Kolonie teilte sich in mehrere große Bereiche auf: die Halle
der Mütter, die Bruthöhlen, die Halle der Jungdrachen, die Grotte
der Ältesten, den Magischen Wald… und vieles mehr. Das Zusammenleben der Drachen war sorgsam geregelt, und es gab
sogar gewisse Vorrichtungen zur Verteidigung, wenngleich sie
keine wirklichen Feinde hatten. Und überall schwebten die Drachenfeuer-Kugeln unter den Höhlendecken und machten klar,
dass die Drachen über weitaus mehr und weitaus feinere Magietalente verfügten, als die Menschen
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