Höhlenwelt-Saga 6 - Die Mauer des Schweigens
hoffte inständig, dass Cathryn keinem Irrtum unterlegen
war.
»Sie hat Recht!«, rief Hellami und deutete hinauf.
»Es sind keine Vierbeiner…!«
Ullrik schloss die Augen und lauschte ins Trivocum.
Als er dort Cathryns feine Stimme hörte und dazu noch eine
Drachenstimme, außergewöhnlich fest und charaktervoll, so wie
es einem Tirao, der schon eine halbe Legende war, zustand,
stöhnte er erlöst auf und ließ sich rückwärts in den Sand fallen.
Gleich darauf spürte er Hellamis Gewicht auf sich; sie umarmte
ihn und schluchzte hemmungslos. Als sie ihr Gesicht hob, war es
tränennass, aber es waren Tränen des Glücks und der Erleichterung. »Es ist wirklich Tirao«, hörte er ihre Stimme.
Ächzend arbeitete er sich wieder in die Höhe, hielt Hellami an
sich gedrückt und sah den beiden anfliegenden Drachen entgegen. Die Stimme des zweiten hatte er auch schon erkannt – es
war Yachaoni.
Hellami schluchzte noch immer, es war fast ein Weinkrampf, der
sie schüttelte. Überrascht musterte Ullrik sie. Ihre Verfassung
schien ihr peinlich zu sein, aber dann rückte sie damit heraus,
was sie fühlte. »Ich war mir wirklich sicher, dass wir an dieser
verfluchten Küste keinen weiteren Tag überleben würden.«
Er starrte sie an, merkte dann aber, dass sie soeben eine unangenehme Wahrheit ausgesprochen hatte. Eine Wahrheit, die man
sich natürlich nicht eingestehen wollte, die aber unausweichlich
erschien. Sie hatten in den letzten Tagen ein Übermaß an Glück
gehabt und waren nun durch einen letzten, himmlischen Glücksfall gerettet. Noch einmal so viele Tage hätten sie hier nicht mehr
überlebt.
Ullrik schluckte die Erkenntnis herunter und drängte sie dann
beiseite. Vor ihnen gingen die Drachen nieder, als er Tirao zum
ersten Mal sah, überlief ihn ein Zittern.
Er war nicht größer oder stärker als Yachaoni – höchstens ein
wenig. Aber er wirkte schon auf den ersten Blick wie einer vom
Schlage Nerolaans: wie eine große Persönlichkeit und zugleich
auch wie ein unglaublich starker Krieger, der es sogar mit einem
Kreuzdrachen hätte aufnehmen können. Seine Körperfärbung war
grauer als die Nerolaans oder Yachaonis; sein muskulöser Brustkorb bebte noch von der Anstrengung des Fluges, doch sein Hals
war gereckt und sein mächtiger Schädel hoch erhoben. Ullrik ließ
sich wieder zurück auf die Ellbogen sinken, schloss die Augen und
genoss das Gefühl, nicht mehr beschützen zu müssen, sondern
beschützt zu sein.
Als er sie wieder öffnete, sah er Cathryn, die gerade den großen
Felsdrachen erreicht hatte. Tirao senkte den Kopf zu ihr herab.
Sie wirkte so winzig vor ihm, dass es Ullrik unvorstellbar erschien,
wie Cathryn diese mordgierige Bestie von einem Kreuzdrachen
hatte überwinden können. Er war gut und gerne doppelt so groß
wie Tirao gewesen.
Hellami hatte sich erhoben und trat nun auch zu dem großen
Felsdrachen. Sie und Cathryn standen nebeneinander und berührten den Drachen an der Nase.
Geht es dir gut, Ullrik?, hörte er die Stimme Yachaonis.
Ullrik stemmte sich hoch, stand auf und trat ebenfalls zu den
Drachen. In dem Bedürfnis, es den Mädchen gleichzutun, hob er
die Hand, um Yachaonis mächtigen Schädel zu berühren. Der
Drache senkte den Kopf, um es ihm zu ermöglichen.
Wie ist es euch ergangen?, fragte Ullrik. Seine Hoffnung, gute
Nachrichten zu erhalten, war gering.
Schlecht, lautete die betrübte Antwort. Ich… ich habe mich als
Einziger retten können.
Als Einziger?, stöhnte Ullrik.
Yachaonis Kopf wandte sich zu Tirao, Cathryn und Hellami; Ullrik glaubte, ein Gefühl von Sorge wahrnehmen zu können.
Schon gut, Yachaoni, sagte Ullrik. Dass Asakash starb, hat
Cathryn leider direkt miterlebt. Aber was ist mit Noa und Ujabaos?
Sie sind beide tot. Ujabaos floh mit mir. Ich fürchte, ich habe
ihm mein Leben zu verdanken.
Einer der Kreuzdrachen verfolgte uns, er war unglaublich
schnell. Ich begriff bald, dass entweder Ujabaos oder ich würden
sterben müssen. Der andere konnte vielleicht die Zeit gewinnen,
um hoch genug hinaufzugelangen und den Kreuzdrachen abzuschütteln. So war es dann auch. Es war Ujabaos, den der Kreuzdrache erwischte. Es hätte ebenso gut mich treffen können.
Wie furchtbar, sagte Ullrik traurig. Und Noa? Was ist mit Marius? Ist er auch tot? Wir haben ihn nicht finden können. Wir haben ihn nicht einmal abspringen sehen.
Der Felsdrache schnaubte leise. Ich habe die beiden nicht mehr
gesehen. Aber da war ja noch der andere Kreuzdrache und
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