Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
dann einen kurzen Blick nach
rechts oben. Azrani entdeckte einen Abon’Thul, einen pechschwarzen vierflügeligen Kreuzdrachen, der auf einer hohen
Turmspitze hockte und auf sie herabstarrte. Ein Schauer strich ihr
über den Rücken.
»Was soll hier aus uns werden?«, flüsterte Laura. »Bleiben wir
hier für alle Zeiten stehen?«
Die Antwort erfolgte bald. Aus einem der großen Durchgänge
rechts kamen drei junge Frauen in weißen Gewändern mit kleinen
Schritten auf sie zugeeilt und umkreisten sie mit Gekicher und
entrückten Mienen; gleich darauf waren sie wieder verschwunden. Dann erschien ein großer Mann in einem wallenden, weißen
Gewand.
Azrani und Laura erschauerten und rückten instinktiv ein Stück
näher zusammen. Ein Mann auf Okaryn – das konnte nur ein Einziger sein: Mandalor. Er lebte also tatsächlich noch.
Sein Haar war lang und weiß, sein Bart ebenso weiß und wallend; er trug ein Stirnband mit einem hellblauen Edelstein in der
Mitte, und in der Hand hielt er einen langen Stab, an dessen Ende
sich ein seltsames verwundenes Etwas befand, das einer Wurzel
ähnelte und abermals weiß war. Die zweite Farbe, die er trug, war
Gold. Sein Stirnband, der Edelstein, die Säume seiner weiten Robe und Teile seines Stabes waren goldgefasst; in seinen Bart und
sein Haar waren goldene Fäden gewirkt, in der weißen Wurzel
seines Stabes glitzerten goldene Punkte.
Mit gemessenen Schritten kam er auf sie zu, blieb ein Stück vor
ihnen stehen und musterte sie mit gütiger Miene. Sein Gesicht
war alt, seine Erscheinung aber wirkte auf sonderbare Weise
durchaus jung. Er bewegte sich nicht wie ein Greis, im Gegenteil,
eher wie ein junger Mann. Bald kamen die drei jungen Frauen mit
ihren trippelnden Schritten und ihrem Gekicher wieder und umkreisten ihn. Sie wirkten geistig abwesend, so als stünden sie
unter dem Einfluss von Rauschmitteln, und ihre zu ewigem Lächeln erstarrten Gesichtszüge bestätigten das nur.
Nachdem sie auch Azrani und Laura noch ein paarmal umrundet
hatten, beendeten sie ihr Getänzel und drapierten sich um ihren
Meister herum.
»Da war deine Drachengöttin-Schau eindrucksvoller«, flüsterte
Laura.
Azrani war nicht nach Lachen zumute; Laura hatte es sicher
auch nicht so gemeint. Obwohl die Aufführung dieses Mannes
etwas Bizarres hatte, konnte Azrani inzwischen keinen Humor
mehr aufbringen. Okaryn war kein Ort für Frohsinn, auch wenn
man sich noch so bemühen wollte.
Für eine ganze Minute geschah nichts. Der Mann musterte sie
nur mit einem seltsam wohlwollenden Gesichtsausdruck, der jedoch nicht echt schien. Er wirkte eher, als steckte kühle Berechnung dahinter. Schließlich setzte er sich in Bewegung und umkreiste sie, betrachtete sie von oben bis unten, so als müsste er
einen Bericht über sie verfassen.
»Zieht euch aus, ihr Schönen«, säuselte er, als er sie umrundet
hatte, und vollführte eine kleine Handbewegung.
Azrani und Laura sahen sich verblüfft an, dann rief Laura:
»Nein! Kommt nicht infrage!«
Der Widerspruch ließ den Mann erschauern. Irritiert wich er einen Schritt zurück. Doch dann verzog sich seine Miene zu plötzlichem Zorn, er stampfte herrisch mit seinem Stab auf und rief:
»Ich bin Mandalor, der Heilige von Okaryn, und ihr werdet euch
jetzt ausziehen! Ich befehle es!«
»Das werden wir nicht!«, rief Laura wütend und trat einen
Schritt auf Mandalor zu. »Du kannst uns gestohlen bleiben, du
geiler Greis! Glaubst du, wird sind so verblödet wie die Relies, die
du seit vierhundert Jahren an der Nase herumführst?«
Azrani sackte das Herz in den Magen. Laura hatte möglicherweise etwas heraufbeschworen, das ihnen alle Handlungsmöglichkeiten nahm; und über all dem schwebte das Problem, dass ihnen
nur wenig Zeit blieb. Möglicherweise erwarteten die Abon’Dhal
noch in dieser Nacht einen Angriff der Relies auf die Technos. Sie
fasste Laura am Arm und zog sie zu sich, um sie zu beruhigen.
Allerdings hatte auch sie nicht vor, dem Wunsch dieses alten
Trottels nachzugeben, der offenbar von Lüsternheit getrieben
war.
»So?«, bellte der Alte, dessen wohlwollende Miene inzwischen
vollständig verschwunden war. »Na, wir werden ja sehen, wer
hier das Sagen hat!« Er vollführte eine gebieterische Geste mit
seinem Stab und rief, an den Phryx gerichtet: »Bring sie hinab ins
Badehaus!« Seine drei Frauen wies er an: »Und ihr sorgt dafür,
dass sie kräftig abgeschrubbt werden und weiße Gewänder erhalten, diese dreckigen Weiber! Danach komme ich,
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