Höhlenwelt-Saga 7 - Die Monde von Jonissar
sie es nur eine Sekunde später getan, wäre sie von dem
Spieß eines Vierarmigen durchbohrt worden. Mit einem hässlichen
Geräusch drang die Waffe nur eine Handbreit neben Lauras Brust
in die ledrige Haut des toten Drachen, dort, wo sie eben noch
gelegen hatte. Laura schrie auf, schoss, ohne zu zielen, und traf
den Phryx mitten in den Kopf. Das Untier stieß ein ohrenbetäubendes Kreischen aus, riss alle vier Arme hoch, geriet aus dem
Gleichgewicht und stürzte von der Schulter des Abon’Thul hinab
auf den harten Steinboden – den zweiten Vierarmigen, der sich
dicht hinter ihm gehalten hatte, mit sich reißend.
Das Geräusch sagte alles. Was immer ein Phryx im Inneren seines Leibes trug, ob es Knochen waren oder etwas anderes – einiges davon zerbarst mit einem hässlichem Krachen. Es war beileibe kein schönes Geräusch, aber Musik in Lauras Ohren. Sie
sprang auf, sah, dass der andere Phryx sich dort unten eben aufrappelte, und eröffnete mit aller Macht das Feuer auf ihn. Ihre
Gapper-Pistole fauchte und spuckte orange leuchtende Salven,
ausgesprochen unangenehme Geschosse, die so ziemlich alles
taten: verbrennen, ätzen, blenden, schocken… Es kam natürlich
immer auf den Gegner an. Doch diese Phryxe waren groß und
stark. Voller Angst suchten Lauras Augen nach dem Schlangenphryx, konnten ihn aber nicht entdecken. Den Vierarmigen
traf sie mehrmals, allerdings nicht sehr wirkungsvoll. Dann versagte ihre Waffe.
Laura hätte das Ding vor Verzweiflung um ein Haar von sich
geworfen. Sie knallte es ein paarmal gegen ihren Oberschenkel
und versuchte es noch einmal – nichts. Dann hatte sich das riesige Biest schon auf das Bein des toten Drachen geschwungen und
kam zu ihr herauf; Rauchwölkchen stiegen von seinem gläsernen
Körper auf, dort, wo sie ihn getroffen hatte. Aber er schien noch
Kraft genug zu haben, um sie sich zu holen. Verzweifelt sah sich
Laura um, hob den zuvor fallen gelassenen Spieß des Phryx auf,
ein riesiges Ding, so dick wie ihr Oberarm, und stürzte sich mit
einem Schrei auf die Bestie, die gerade den Rücken des Drachen
erklettern wollte. Der Spieß bohrte sich in die breite Brust des
Ungetüms, knapp unterhalb des Kopfes. Mit vier rudernden Armen tappte der Phryx brüllend auf der Schulter des Drachen herum, bevor er abrutschte und auf den steinernen Boden krachte.
Dort blieb er liegen und rührte sich nicht mehr. Laura hätte Grund
gehabt zu jubeln. Ihr Sieg war womöglich ebenso großartig wie
der Ullriks gegen den Malachista, sie war ja nur ein zierliches
Mädchen, verfügte über keine Magie. Trotzdem hatte sie zwei
Monstren niedergemacht, von denen jedes leicht das Fünffache
von ihr wog. Aber da war noch der dritte Phryx, den sie immer
noch nicht sehen konnte. Wohin war er nur verschwunden?
Sie hob ihre Waffe auf, die sie hatte fallen lassen – keine Sekunde zu früh, denn nun sah sie, woher der Schlangenphryx kam.
Die Flanke des toten Drachen war ihm zu steil gewesen, er hatte
sich um den Drachen herumbewegt und seinen Rücken über den
nur sanft ansteigenden Drachenschweif erklommen. Inzwischen
war er schon ganz nah, das sonst so friedlich wirkende Hasengesicht vor Hass und Wut verzerrt. Reihen kleiner, spitzer Zähne
blitzten aus dem breiten, krötengleichen Maul hervor, die nach
hinten gerichteten Hörner schienen seitlich abgespreizt. Eine neue
Woge von Panik drohte Laura zu erfassen. Mit der flachen Hand
schlug sie gegen die Gapper-Pistole, drückte immer wieder hektisch auf die beiden Einstell-Schalter, versuchte Schüsse auf den
Schlangenphryx abzufeuern. Nichts.
»Verdammtes Mistding«, schrie sie verzweifelt, »lass mich jetzt
nicht im Stich…«
Doch es gab jemand anderen, der sie nicht im Stich ließ.
Tirao kam mit einer neuen, menschlichen Fracht durch die große Fensteröffnung hereingeflogen. Es dauerte nur einen Herzschlag, da war er über den Körper des toten Drachen hinweggestrichen, hatte den Phryx mit seinen Klauen gepackt und zerriss ihn
noch in der Luft. Es war eine so überraschend beiläufige Tat, und
sie war so schnell vorüber, dass Laura sich vor Erleichterung einfach nur auf den Hintern fallen ließ und blinzelnd sitzen blieb.
Unabsichtlich krümmte sich ihr Zeigefinger, und ein Schuss löste
sich aus ihrer Waffe. Er schlug nur zwei Meter von ihr entfernt in
einen der Hornzacken des Drachen ein und ließ einen glühenden
Funkenregen aufstieben. Einige davon trafen Laura, und sie
sprang auf.
»Verdammtes Scheißding«, schimpfte
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