Hoelle auf Zeit
»Okay, du bist morgen mit Agnes Punkt eins zum Abflug in Vigny. Wenn die Maschine abhebt, rufst du die bekannte Nummer in Kent an.«
»Klar.« Sie hatten den Durchgang passiert. »Wir haben hin und her überlegt«, begann Valentin unbeholfen. »Das heißt, es ist Agnes’ Idee.«
»Ja?«
»Die Sache ist doch prima gelaufen. Da haben wir uns ge
dacht, ein bißchen mehr Geld wäre vielleicht drin?«
»Mal sehen«, entgegnete Jago. »Ich rede mit Smith darüber und melde mich dann.«
Auf dem Weg am Flußufer entlang dachte er über Valentin nach. Eine Drecksarbeit, zugegeben. Und ein Dreckskerl, natürlich. Kein Stil. Eine echte Kairatte, und Ratte blieb Ratte, man mußte sie im Auge behalten. Nach fünf Minuten betrat er das erstbeste, die ganze Nacht geöffnete Café und wechselte an der Theke einen Hundertfrancschein in Münzen, ging in die Telefonzelle an der Ecke und wählte eine Londoner Nummer.
Als sich der Anrufbeantworter einschaltete, sprach er leise
auf Band: »Mr. Smith. Hier Jago.« Er wiederholte zweimal die Nummer, unter der er zu erreichen war, legte auf und zündete sich eine Zigarette an.
Sie hatten immer diese Methode benutzt: Smith mit seinem Anrufbeantworter und vermutlich mit einem automatischen Signalsystem, so daß er die auf Band hinterlassene Nachricht überall abhören und seinerseits zurückrufen konnte. Erstaun lich simpel. Keine Möglichkeit, ihn aufzuspüren. Narrensicher.
Das Telefon läutete, Jago nahm ab. »Jago«, meldete er sich.
»Hier Smith.« Die üblichen Vorkehrungen, um die Stimme unkenntlich zu machen. »Wie geht es Ihnen?«
»Ausgezeichnet.«
»Irgendwelche Probleme?«
»Keine. Alles läuft normal. Die Sendung geht morgen um ein Uhr mittags in Vigny ab.«
»Gut. Unsere Freunde holen sie wie immer ab. Sie dürfte uns innerhalb einer Woche Geld einbringen.«
»Bestens.«
»Der übliche Betrag plus zehn Prozent wird Ihrem Konto an Ultimo gutgeschrieben.«
»Sehr schön.«
»Der wohlverdiente Lohn für all die Mühe …«
»Und was sonst noch an altbewährtem britischen Unsinn ver
zapft wird.« Jago lachte.
»Genau. Ich melde mich.«
Jago hängte ein und trank an der Theke rasch einen Kognak. Als er auf die Straße trat, regnete es immer noch, doch das störte ihn nicht. Im Gegenteil, er fühlte sich ausgesprochen wohl und begann wieder zu pfeifen, während er über das holp rige Pflaster davonschritt.
Doch am nächsten Tag herrschte in Vigny um die Mittagszeit kein gutes Wetter – tiefe Wolkendecke, Regen und Bodennebel mit nur vierhundert Meter Sichtweite. Der kleine Flugplatz hatte einen Kontrollturm und zwei Hangars. Valentin und Agnes blieben in ihrem Citroën am Rand der Rollbahn und sahen zu, wie der Sarg aus dem Leichenwagen in die kleine Cessna verladen wurde. Der Leichenwagen fuhr ab. Der Pilot verschwand im Kontrollturm.
»Sieht ziemlich mulmig aus«, meinte Agnes.
»Ich weiß. Kann sein, daß wir den ganzen Tag hier rumhän
gen«, brummte Valentin. »Ich schau mal nach, was los ist.«
Er hängte sich den Regenmantel über die Schultern und schlenderte zum Haupthangar, wo er einen einsamen Mechani ker in verschmutztem weißen Overall vorfand, der an einer Piper Comanche arbeitete.
»Zigarette?« Valentin bot ihm eine Gauloise an. »Mein eng lischer Vetter erwartet heute nachmittag die Überführung seines verstorbenen Sohnes. Er bat mich, ein Auge drauf zu haben, ob die Sache auch klappt. Der Leichenwagen war da, das hab ich gesehen. Findet der Flug nun statt oder nicht?«
»Einstweilen verschoben«, erklärte der Mechaniker. »Für den Start hier gab’s keine Schwierigkeiten, aber drüben sieht’s nicht so rosig aus. Gegen vier rechnet er mit der Starterlaubnis, hat mir der Kapitän gesagt.«
»Danke.« Valentin zog eine halbe Flasche Whisky aus der Tasche. »Bedienen Sie sich. Darf ich hier mal telefonieren?«
Der Mechaniker trank mit Begeisterung aus der Flasche und wischte sich dann mit dem Handrücken über den Mund. »Ich muß ja die Rechnungen nicht bezahlen, da lade ich Sie gern ein.«
Valentin holte ein Stück Papier hervor und wählte die darauf notierte Nummer. Es war ein Anschluß in Kent; er wußte zwar, daß dies südlich von London lag, aber weiter nichts über die mysteriöse Firma Hartley Brothers.
Eine Stimme meldete sich. »Ja?« Nichts weiter.
Valentin antwortete in seinem
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