Hoelle auf Zeit
Heroin«, ergänzte Villiers.
»Wovon dies nur ein Muster ist. Wollen Sie darauf hinaus?«
»Es klingt plausibel. Die Polizei hat bereits festgestellt, daß der Leichenwagen gestohlen wurde. Ein Bestattungsinstitut namens Hartley Brothers existiert nicht. Das Ganze war Fassa
de, ein raffiniertes Täuschungsmanöver.«
»Das schiefgelaufen ist. Durch irgendeinen Unfall.«
»Genau. Sie mußten den Stoff in Windeseile herausholen und sich schleunigst verziehen.«
»Und in ihrer Hast haben sie dieses Päckchen übersehen.« Fergusons Miene verdüsterte sich. »Ihnen ist doch klar, was Sie damit sagen? Daß der Junge möglicherweise vorsätzlich umgebracht wurde, weil man den Leichnam dann für den Drogentransport benutzen konnte.«
»Richtig«, bestätigte Villiers. »Ich habe das Labor um eine Schätzung gebeten. Die sagen, wenn man dieses Päckchen als Größenmaßstab nimmt, hätte sich eine Gesamtmenge im Wert von mindestens fünf Millionen Pfund unterbringen lassen.«
Ferguson trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Von Ihrer persönlichen Verbindung einmal abgesehen, kann ich beim besten Willen nicht erkennen, was uns das angeht.«
»Aber der Fall betrifft uns, Sir, und das ganz wesentlich. Hier habe ich eine Kopie vom Bericht des französischen Leichenbe schauers.« Villiers holte ihn aus der Aktentasche. »Beachten Sie die chemische Blutanalyse. Spuren von Heroin, Kokain und außerdem Scopolamin und Phenothiazin.«
Ferguson lehnte sich zurück. »Naturwissenschaft war schon auf der Schule meine schwache Seite. Erklären Sie’s mir.«
»Angefangen hat alles vergangenes Jahr in Kolumbien. Sco
polamin, ein Alkaloid mit beruhigender, dämpfender Wirkung, wird aus Nachtschattengewächsen in den Anden gewonnen. Es läßt sich in ein Serum umwandeln, ohne Farbe, ohne Ge schmack und Geruch, von dem bereits wenige Tropfen genü gen, einen mindestens drei Tage andauernden hypnotischen Zustand zu erzeugen. Die Wirkung ist ungeheuerlich, sämtliche geistigen und körperlichen Funktionen werden restlos ausge schaltet, die Opfer können sich an nichts erinnern, was sie getan haben. Männer sind zu Mördern, Frauen zu willenlosen Sexualobjekten geworden.«
»Und das Phenothiazin?«
»Das neutralisiert bestimmte Nebenwirkungen. Macht die Opfer gefügiger.«
Ferguson schüttelte den Kopf. »Gott steh uns bei, wenn es bei uns hier Wurzel fassen sollte.«
»Aber das ist ja schon geschehen, Sir«, betonte Villiers ein dringlich. »Während der vergangenen zwölf Monate hat es in Ulster vier Fälle gegeben, wo IRA-Mitglieder von paramilitäri schen protestantischen Gruppierungen liquidiert wurden und die Leichenschau dann das gleiche Ergebnis zutage gefördert hat. Scopolamin und Phenothiazin.«
»Und Sie meinen, es könnte ein Zusammenhang mit dieser Sache bestehen?«
»Vielleicht gibt es noch mehr solcher Fälle. Wir müssen das durch Computer überprüfen, aber wenn da ein Zusammenhang existiert und wenn die UVF oder die Rote Hand von Ulster oder irgendwelche sonstigen protestantischen Extremisten gruppen darin verwickelt sind, dann ist es sehr wohl unsere Sache.«
Ferguson überlegte angestrengt. Schließlich nickte er. »In Ordnung, Tony, lassen Sie alles andere liegen oder suchen Sie sich einen Vertreter. Ich beauftrage Sie mit der Klärung dieser Angelegenheit und stelle Sie dafür frei. Höchste Dringlich keitsstufe. Halten Sie mich auf dem laufenden.«
Damit entließ er ihn. Ferguson setzte die Brille wieder auf, und Villiers packte die Berichte und das Heroin in die Aktenta sche zurück. »Da wäre nur noch etwas, Sir, eine persönliche Sache.«
Ferguson blickte überrascht auf. »Nun?«
»Eric hatte eine Stiefmutter, Sir, Sarah Talbot. Sie ist Ameri
kanerin.«
»Sie kennen sie?«
»Natürlich. Eine sehr ungewöhnliche Frau. Eric hat sie ange
betet. Seine richtige Mutter starb bei seiner Geburt, und Sarah
bedeutete ihm sehr viel, umgekehrt genauso.«
»Und jetzt müssen Sie ihr diese tragische Geschichte bei bringen. Wie wird sie das aufnehmen?«
»Da bin ich nicht sicher.« Villiers zuckte die Achseln. »Sie ist eine geborene Cabot aus Boston. Feinste Kreise. Ihr Vater war mehrfacher Millionär. Stahl, glaube ich. Sie hat sehr früh die Mutter verloren, daher die starke Vaterbindung. Sie war eine typische verwöhnte, reiche Ziege, wie sie mir einmal gestand, hat es aber
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