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Hoelle auf Zeit

Hoelle auf Zeit

Titel: Hoelle auf Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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in einem Monat vierzig und sah wie dreißig aus, sogar frühmorgens, wenn sie einen schlechten Tag hatte. Ihr dunkles Haar wurde von einem einfachen Samtband gehalten und ließ das Gesicht frei, die graugrünen Augen über den vorspringenden Backenknochen funkelten. Schön im landläufi­ gen Sinne konnte man sie nicht nennen, doch jeder drehte sich ein zweitesmal nach ihr um. An diesem Abend wirkte sie be­ sonders elegant in einem schwarzen Samtkostüm von Dior. Sie war auf dem Weg in ihr Lieblingsrestaurant »The Four Sea­ sons« in der Zweiundfünfzigsten Straße, wo sie allein speisen wollte. Sie hatte allen Grund zum Feiern, denn an diesem Nachmittag hatte sie ihren größten beruflichen Erfolg verbu­ chen können, die Übernahme einer Warenhauskette im Mittel­ westen, und das gegen zähen Widerstand von männlicher Seite. O ja, mein Kind, dachte sie, heute abend wäre Daddy stolz auf dich gewesen – was sie freilich nicht sonderlich befriedigte.
      »Ich brauche dringend Urlaub, Charles«, sagte sie.
      »Das klingt gut, Mrs. Talbot. Die Jungferninseln sind herr­
    lich um diese Jahreszeit. Wir könnten das Haus eröffnen, das Boot herausholen.«
      »Sie wären alle vierzehn Tage unten, wenn ich Sie ließe, Sie Strolch. Nein, ich dachte daran, nach England zu fliegen und Eric in Cambridge zu besuchen.«
      »Gute Idee. Wie geht’s ihm denn so da drüben?«
      »Ausgezeichnet. Ganz ausgezeichnet.« Sie stockte. »Ehrlich gesagt, ich hab in letzter Zeit nicht viel von ihm gehört.«
      »Darüber würde ich mir nicht den Kopf zerbrechen. Er ist ein junger Kerl, und Sie wissen doch, wie Studenten sind. Nichts wie Mädchen im Kopf.«
      Er fluchte leise, riß das Steuer herum, als der Wagen vor ih­ nen scharf bremste, und Sarah lehnte sich zurück, dachte an Eric. Vor zwei Monaten hatte sie den letzten Brief bekommen, und wenn sie ihn telefonisch zu erreichen versuchte, war er nie zu Hause. Doch Studenten waren eben so, da hatte Charles recht.
      Der Chauffeur hielt ihr eine Zeitung hin. »Da steht ein prima Artikel drin, den sollten Sie unbedingt lesen. Über den Riesen­ prozeß gegen die Mafia, die Mitglieder aus dieser FrasconiBande. Der Richter hat sie zu insgesamt zweihundertzehn Jahren verdonnert.«
      »Tatsächlich?« Sarah nahm die Zeitung.
      »Sehen Sie das Bild auf der Titelseite? Von dem Mann, der gerade aus dem Gerichtssaal kommt? Der ist verantwortlich
    dafür, daß die Brüder eingelocht werden.«
      Der Mann, den das Foto auf der Treppe zum Gerichtssaal zeigte, war mindestens siebzig, vierschrötig, mit dem fleischi­ gen, hochmütigen Gesicht eines römischen Imperators. Der Mantel hing über den Schultern, er stützte sich auf einen Stock. Die Bildunterschrift lautete: »Exmafiaboß Rafael Barbera vor dem Gericht.«
      »Er lächelt«, bemerkte Sarah.
      »Da hat er allen Grund dazu. Er hatte mit den Kerlen eine alte Rechnung zu begleichen. Die Frasconis haben seinen Bruder vor zwanzig Jahren in den Mafiakriegen umgelegt.«
      »Zwanzig Jahre zu warten – das ist eine lange Zeit.«
      »Nicht für diese Typen. Die bestehen darauf, es dem anderen heimzuzahlen, und wenn es ein Leben lang dauert.«
      Sie las den Bericht zu Ende. »Er hat sich zur Ruhe gesetzt, schreiben sie hier.«
      Charles lachte. »Großartig! Ich werd Ihnen mal was erzählen, Mrs. Talbot. Ich stamme nämlich aus der Zehnten Straße, dem Gebiet von Gambino. Als Don Rafael mit seinen Eltern aus Sizilien hierherkam, war er zehn. Er wurde Mafioso durch Familientradition. Sein Aufstieg ging blitzartig vonstatten, so daß er es schon mit dreißig zum Don brachte und an Gerissen­ heit alle übertraf. Hat nicht einen Tag gesessen. Keinen einzi­ gen.«
      »Ein Glückspilz.«
      »Nein, kein Glückspilz, ein Schlaukopf. Vor ein paar Jahren hat er sich in Europa zur Ruhe gesetzt, aber er soll auch drüben die Nummer eins sein. Chef der Mafia in ganz Sizilien.«
      In diesem Augenblick erschien eine Hand vor ihrem etwas heruntergelassenen Fenster, sie wandte sich um und sah Henry Kissinger, der aus dem Wagen neben dem ihren den Arm herüberstreckte. Sie öffnete das Fenster vollends und beugte sich heraus. »Henry, wie geht es Ihnen? Ewig nicht gesehen.«
      Er küßte ihr die Hand. »Setzen Sie sich wieder richtig hin,
    Sarah, Sie werden sonst naß. Wohin fahren Sie?«
    »Zum ›Four Seasons‹.«
    »Ich auch. Wir sehen uns nachher dort.«
      Sein Wagen fuhr weiter, sie winkte kurz

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