Hoelle auf Zeit
unter dem Namen burundanga bekannt.«
»Es bewirkt auf chemischem Wege eine Art hypnotischen Zustand, Mrs. Talbot«, warf Ferguson ein. »Reduziert das Opfer eine Zeitlang zum Zombie.«
»Und das ist mit Eric passiert?« flüsterte sie.
»Ja, und im vergangenen Jahr hat man bei der Obduktion von vier IRA-Mitgliedern, die von protestantischen Gruppen in Ulster ermordet worden waren, Spuren derselben Droge gefun den.
Und das macht es zur Sicherheitsfrage, Mrs. Talbot. Ein sehr ungewöhnlicher Vorfall. Vier IRA-Mitglieder in Ulster und jetzt Ihr Stiefsohn.«
»Und Sie meinen, da könnte ein Zusammenhang bestehen?« fragte sie.
»Vielleicht waren dieselben Leute beteiligt«, entgegnete Fer guson. »Das wollen wir herausfinden. In sämtlichen westeuro päischen Ländern arbeiten die Computer auf Hochtouren, um uns dabei zu helfen.«
»Und was haben Sie ermittelt?«
»Mehrere Fälle in Frankreich während der letzten drei Jahre, alle dem Ihres Stiefsohnes recht ähnlich. Tod durch Ertrinken unter Drogeneinfluß.«
Barberas These ließ sich nicht länger übergehen.
»Das scheint mir die Vermutung nahezulegen«, sagte sie ru
hig, »daß eine Anzahl von Menschen ermordet wurden, wäh rend sie sich in dem von Ihnen erwähnten chemisch bewirkten hypnotischen Zustand befanden.«
»Diesen Anschein hat es in der Tat«, bestätigte er.
»Ermordet aus einem einzigen Grund: Um ihre Leichen be
nutzen zu können wie einen Koffer, als Transportbehälter.« Sie hämmerte mit der geballten Faust auf ihrem Knie herum. »Das haben sie Eric angetan. Warum?«
»Fünf Millionen Pfund, Mrs. Talbot, das ist nach unserer vorsichtigen Schätzung der Verkaufswert für jede solche Liefe rung Heroin.«
Sie nahm das Silberetui heraus. Villiers gab ihr Feuer. Das Rauchen beruhigte sie, und sie hörte auf zu zittern. Nun emp fand sie Zorn. Nein, mehr als das – rasende Wut. Sie erreichten die Außenbezirke von Canterbury, schlängelten sich durch die altertümlichen Straßen. Sie blickte empor zu den hochragenden Türmen der großen Kathedrale.
»Sie ist wunderschön.«
»Die Geburtsstätte des englischen Christentums«, bemerkte Ferguson. »Gegründet von Augustinus, dem Apostel der An gelsachsen.«
»Und 1942 von den Nazis zerbombt«, ergänzte Villiers. »Nicht unbedingt ein militärisches Ziel, aber wir haben ja auch einige ihrer Domstädte bombardiert.«
Der Daimler bog auf einen ruhigen Platz ein. »Der Computer hat also keine weiteren Fälle ausgespuckt?« fragte sie.
»Leider nein«, antwortete Ferguson.
»Das stimmt nicht ganz«, korrigierte Villiers. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen davon zu berichten, aber heute vor mittag hat sich noch etwas ergeben. Vor ein paar Monaten wurde eine Achtzehnjährige in der Themse bei Wapping ge funden.«
»Sind Sie sicher?«
»Ich fürchte, ja, Sir.« Villiers stockte. »Es handelt sich um
Egans Stiefschwester, Sir.«
Ferguson war verblüfft. »Sie meinen Sean Egan?«
»Ja.«
»Großer Gott.«
»Und wer ist dieser Sean Egan?« erkundigte sich Sarah.
»Ein junger Sergeant, der bei mir im SAS gedient hat. Schwer verwundet im Falklandkrieg. Er hat gerade abgemu stert.«
»Erzählen Sie mir mehr über ihn«, bat sie, doch in dem Mo ment hielt der Daimler an der Freitreppe, die zu einem impo santen georgianischen Gebäude hinaufführte.
»Dafür ist jetzt keine Zeit, meine Liebe«, erklärte Ferguson, als der Chauffeur die Wagentür öffnete. »Wir sind da.«
Im Gerichtssaal befanden sich ungefähr ein Dutzend Leute, zumeist Schaulustige. Jago saß in der hinteren Reihe und regi strierte die Ankunft von Brigadier Ferguson, Tony Villiers und Sarah Talbot – der er zu diesem Zeitpunkt freilich keinerlei Bedeutung zumaß, doch Villiers ließ ihn aufmerken. Mit dem untrüglichen Blick des ehemaligen Berufsoffiziers erkannte Jago den jungen Colonel sofort als das, was er war, auch in Zivil.
Der Protokollführer eröffnete die Verhandlung. Er forderte die Anwesenden auf, sich zu erheben.
Alle standen, als der Coroner den Saal betrat und Platz nahm. Ein hochgewachsener Gelehrtentyp im dunklen Anzug, zu Sarahs Überraschung nicht im Talar.
Nachdem der Protokollführer festgestellt hatte, daß in diesem speziellen Fall die normalerweise unumgängliche Anwesenheit einer gerichtlichen Untersuchungskommission nicht erforder lich sei,
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