Hoelle auf Zeit
der Polizei?«
»Natürlich«, wiegelte Egan ab. »Es geht eben nur sehr schleppend voran, und Mrs. Talbot möchte sich begreiflicher weise Klarheit verschaffen. Sie hat gehofft, von Greta Mar kovsky Aufschluß über ein paar offene Punkte zu erhalten.«
»Es tut mir leid«, sagte Dr. Gold. »Selbst wenn ich etwas wüßte, dürfte ich nicht darüber sprechen. Die ärztliche Schwei gepflicht.«
»Natürlich.« Sarah stand auf. »Das verstehe ich durchaus.«
»Ich begleite Sie hinaus.« Hannah Gold geleitete sie über den Korridor und blieb auf den Stufen zum Haupteingang stehen. »Hören Sie, Mrs. Talbot, es ging Greta sehr schlecht, und sie hatte eine enorme Überdosis Heroin im Körper, als sie hier ankam. Sie war konfus, redete viel unzusammenhängendes Zeug. Über ihre Kindheit, ihre Mutter, in der Richtung. Zu allem Überfluß war sie auch noch von ihrem Vater mißbraucht worden.«
»Wie schrecklich.«
»Was ich Ihnen erzählen kann, hilft leider nicht weiter. Den Namen Eric Talbot hat sie in keiner unserer Sitzungen erwähnt. Ich habe meine schriftlichen Aufzeichnungen. Und ich würde mich daran erinnern.«
Sarah schüttelte den Kopf. »Vielen Dank, Sie waren sehr
entgegenkommend.«
»Es tut mir leid, Mrs. Talbot. Leid um Greta und sehr leid für Sie.« Sie blieb stehen und schaute ihnen bis zum Parkplatz nach.
Sie stiegen in den Mini Cooper. »Das war’s dann wohl?« meinte Egan.
»Ja. Ganz eindeutig. Wieder eine Sackgasse. Zurück nach London, Sean.« Sie lehnte sich im Sitz zurück und schloß die Augen.
Bei ihrer Rückkehr in die Lord North Street regnete es, ein stetiger, kalter Novemberregen. Jago, bereits wieder in seiner Wohnung, sah sie ankommen und hineingehen. Er ließ sich in einem Sessel am Fenster nieder, wo er beobachten und mithö ren konnte.
»Ich mach uns Tee«, sagte Sarah matt und verschwand in der Küche.
Egan stand am Erkerfenster. Er zündete sich eine Zigarette an, hustete ein wenig, schlenderte dann zum Arbeitstisch. Erics blaues, ledergebundenes Tagebuch lag auf dem Stapel obenauf. Er setzte sich auf die Fensterbank und begann, die Seiten durchzublättern, versuchte hier und da, einen der in gestoche ner Handschrift aneinandergereihten Sätze zu entziffern. Er erstarrte, schaute ungläubig auf die Seite vor ihm und stand auf. Im gleichen Augenblick erschien Sarah mit dem Tablett.
»Was gibt’s denn?« erkundigte sie sich, als sie das Tablett abstellte.
»Sie steht hier, auf dieser Seite. Sehen Sie selbst.« Egan reichte ihr das Tagebuch. »Greta Markovsky.«
Sie nahm es mit einem Anflug von Verwunderung entgegen. Sie hatte es bisher noch nicht gründlich durchgelesen; dazu war sie viel zu verstört gewesen. Doch nun machte sie sich daran. In dem Moment läutete es an der Haustür, Egan schaute hinaus – Jack Shelley, einen hellbraunen Mantel um die Schultern
gehängt, der Rolls-Royce parkte am Bordstein.
Jago war in die Küche gegangen, um Kaffee zu kochen, und kam rechtzeitig ans Fenster zurück, um Shelley das Haus betre ten zu sehen. Er stellte den Kaffee rasch hin und drehte das Empfangsgerät auf volle Lautstärke.
In der Diele sagte Shelley zu Sean: »Ich dachte, ich komm mal auf einen Sprung vorbei und erkundige mich nach dem Stand der Dinge. Wir treten immer noch auf der Stelle.«
»Wir nicht«, erwiderte Sean. »Wir haben rausgefunden, daß Eric ‘ne Freundin hatte, Rauschgifthändlerin, die letztes Jahr mit ihm in ‘ner Drogensache vor Gericht stand. Eine gewisse Greta Markovsky. Wir wollten sie in einem Rehabilitationszen trum für Suchtkranke außerhalb von Cambridge aufsuchen.«
»Na und?« drängte Shelley.
»Sie hat sich umgebracht. Ist von einem Steg am Notausgang zur Feuerleiter runtergestürzt. Wir haben eben ihren Namen in einem Tagebuch gefunden, das der Junge hinterlassen hat.«
»Ein Tagebuch?«
»Er hat eins geführt, auf lateinisch. Das war sein Studienfach in Cambridge.«
»Latein, das hat uns gerade noch gefehlt«, kommentierte Shelley. »Da brauchen wir ja irgendso ‘nen Steißtrommler.«
»Zufällig hat Mrs. Talbot Latein und Griechisch als Haupt
fach in Radcliffe studiert.«
Sie gingen ins Wohnzimmer. Sarah, am Fenster, blickte auf, ganz blaß vor Aufregung. »Da steht alles drin«, erklärte sie. »Die kleinste Kleinigkeit.«
Mit zitternden Händen legte sie das Tagebuch hin. Shelley umarmte sie. »Setzen
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