Hoelle auf Zeit
die Tür zur Feuerleiter. »Da hinaus, Liebes.«
Sie betrat den Steg, blieb stehen, ihr Kittel flatterte im Wind. »Mir wird schlecht«, stöhnte sie.
Er stand hinter ihr, die Arme um sie gelegt, und küßte sie zärtlich auf den Nacken. »Ich weiß, Liebes, gleich wird dir
besser.«
Er schob sie nach vorn, legte eine Hand zwischen ihre Schul terblätter und stieß sie über das Geländer Als sie in fünfund zwanzig Metern Tiefe im Hof aufschlug, war er bereits drinnen auf dem Rückweg. Er raste die Hintertreppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, zog den weißen Kittel aus, hängte ihn im Vorbeilaufen an einen Kleiderhaken und war draußen.
Irgendwo auf der Rückseite des Gebäudes ertönte lautes Schreien. Eine Alarmglocke schrillte, als er sich hinter das Steuer des Landrovers klemmte und sich über die lange Zufahrt entfernte, wobei er das Tempo erst erhöhte, als er auf die Hauptstraße einbog. Er angelte nach einer Zigarette, zündete sie an und wählte dann mit ebenso ruhiger Hand die Kontakt nummer.
Nach einer Weile rief Smith zurück. »Wie ist’s gelaufen?«
»Wie geschmiert. Hätte gar nicht besser sein können.«
»Sind Sie sicher?«
»Sie kennen doch die alte Redensart? Tote Vögel singen nicht.« Als er den Hörer auflegte, sah er auf der Gegenfahrbahn den Mini Cooper. Er senkte den Blick, bis er ihn passiert hatte, und verfolgte ihn dann im Seitenspiegel.
»Zu spät, Sarah«, murmelte er, »entschieden zu spät«, und fuhr nach Cambridge hinein.
Als Egan und Sarah Talbot durch den Haupteingang Grantley Hall betraten, rollten drei Krankenschwestern eine mit einem Laken verhängte Liege durch den Korridor, der eine Ärztin im weißen Kittel, ein Stethoskop um den Hals, folgte. Sie war etwa Mitte Dreißig, dunkelhaarig, mit Nackenknoten. Der ein wenig strenge Eindruck wurde durch die Brille mit Goldrand noch unterstrichen.
»OP 1«, sagte sie. »Und lassen Sie sie dort bis zur Ankunft der Polizei.« Sie ging zum Schreibtisch, nahm einen Füllfeder halter aus der Tasche und machte einen Vermerk auf dem Krankenblatt, das sie bei sich hatte.
»Was kann ich für Sie tun?« fragte der Pförtner die beiden Besucher.
»Ist Dr. Gold im Hause?« erkundigte sich Sarah.
Die Frau am Schreibtisch drehte sich um. »Ich bin Hannah Gold.«
»Mein Name ist Egan. Und dies ist Mrs. Sarah Talbot. Wir hätten Sie gern wegen Greta Markovsky gesprochen.«
»Da sind Sie zwanzig Minuten zu spät dran«, erklärte der Pförtner kurz angebunden.
»Nicht sehr komisch, Alfred«, wies ihn Dr. Gold zurecht. »Kommen Sie bitte mit.« Sie ging den Korridor hinunter, öffnete die Tür zu einem Büro und setzte sich hinter den Schreibtisch. »Nehmen Sie bitte Platz. Was kann ich für Sie tun?«
»Es handelt sich um Greta Markovsky. Könnten wir sie viel leicht sehen?« fragte Sarah.
»Das haben Sie bereits, fürchte ich«, entgegnete Dr. Gold. »Sie lag auf der Tragbahre, die eben in der Halle an Ihnen vorbeikam.«
»Was ist denn passiert?« erkundigte sich Sarah bestürzt.
»Anscheinend hat jemand vergessen, die Tür zu verriegeln. Das muß natürlich noch genau untersucht werden. Sie ist vom Notausgang im zweiten Stock auf den Hof gestürzt. Das einzig Gute dabei ist, daß sie sofort tot war.«
»War es ein Unfall oder Selbstmord?« fragte Egan.
»Das werden wir jetzt nie mehr mit Gewißheit erfahren. Sie war sehr krank. Es ist durchaus möglich, daß sie einfach das Gleichgewicht verloren hat, als sie sich auf den Steg wagte, und über das Geländer fiel. Vielleicht ist sie da oben schwind lig geworden. Andererseits ist Selbstmord bei diesem Patien tentyp keineswegs ungewöhnlich. Sie hat schon am ersten Abend hier versucht, sich die Pulsadern aufzuschneiden.« Sie nahm die Brille ab und putzte sie mit einem Tuch. »Darf ich mich nach dem Grund für Ihr Interesse erkundigen?«
Sarah sah Egan an. Er nickte, daraufhin nahm sie den Um schlag aus der Tasche und reichte ihn weiter. Hannah Gold las die Berichte rasch durch. Ihre Miene blieb unbewegt, als sie die Papiere wieder in den Umschlag steckte und ihn über den Schreibtisch schob.
»Es bestand eine Verbindung zwischen Ihrem Stiefsohn und Greta, wollen Sie darauf hinaus?«
»Sie standen voriges Jahr zusammen vor Gericht unter An klage in einem Rauschgiftverfahren«, erläuterte Sarah.
»Aber das ist doch zweifelsfrei Sache
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