Hölle mit Vollpension
Schlamm und Schlick strotzte der Grund von verborgenen Wurzeln, Schrott, Abfall und anderen Dingen, die ich gar nicht erst zu identifizieren versuchte, als sie mir die Beine zerkratzten. Dennoch konnte ich jetzt nichts anderes mehr tun als weiterzuwaten — es sei denn, mit einem Luftsprung von drei Metern nach dem nächsten überhängenden Ast zu hangeln. Also kämpfte ich mich voran und versuchte nicht an die Dinge zu denken, die unter meinen Füßen quietschten oder mir die Schienbeine streiften. Dann stieß ich mit den Zehen des einen Fußes schmerzhaft gegen ein festes Hindernis, während der andere Fuß obenauf zu stehen kam. Es gab unter mir nach, als ich um mein Gleichgewicht kämpfte, und vor meinem inneren Auge entstand flüchtig das Bild eines ekligen Flußungeheuers , das ich aus jahrhundertelangem Schlaf aufgestört hatte.
Hastig wich ich zurück, aber in taillenhohem Wasser war das nicht einfach. Ein Schwarm Luftblasen barst vor mir an die Oberfläche, gefolgt von einem Holzprügel, den grüner Schleim überzog. Ein paar Sekunden lang wurde es mir leichter ums Herz — bis auch noch die weißen Finger aus dem Wasser tauchten. Da hätte ich aufgeschrien, wenn mir die Kehle nicht wie zugeschnürt gewesen wäre. Die Finger saßen an einem Arm, und der saß wiederum an einem Rumpf. Nach und nach trieb das Ganze an die Oberfläche.
Ich hatte keine andere Wahl, also stellte ich mein Gehirn ab, packte das kalte, wabbelige Handgelenk und watete weiter, die Leiche hinter mir herziehend. Endlich erreichte ich eine flache Ufersteile und zerrte meine Last an Land. Als ich den Körper auf den Rücken drehte, erkannte ich ihn sofort wieder: Es war die Leiche, die ich abends zuvor im Moor gefunden hatte, mit demselben fürchterlichen Loch in der Kehle. Ein Mann in den besten Jahren, über sechs Fuß groß und muskulös. Unter dem dichten roten Haar war das Gesicht so verzerrt und aufgequollen, daß es praktisch unkenntlich war. Schon beim ersten Blick darauf hätte sich mir fast der Magen umgedreht.
Als ich Pamela wenige Minuten später fand, lag sie immer noch mit geschlossenen Augen im Gras. Meine Kleider waren noch feucht, als ich sie wieder anzog, aber das war jetzt die geringste meiner Sorgen.
»Hast du Nymphen in wollenen Unterhosen durchs Gesträuch gejagt ?« begrüßte mich Pamela verschlafen.
»Kennst du einen Mann, der gut sechs Fuß groß ist, kräftig gebaut, mit starken Muskeln und dichtem rotem Haar ?« fragte ich heiser.
»Ja, Charles Warren.« Sie öffnete ein Auge und sah mit milder Neugierde zu mir auf. »Ist er wieder aufgetaucht ?«
»So kann man es auch nennen«, murmelte ich. »Im wahrsten Sinne des Wortes.«
6
»Willst du wohl mal die Flasche absetzen ?« schimpfte ich. »Crespin kann jeden Moment hereinspaziert kommen, in Erwartung zweier versierter Parapsychologen, mit denen er fachsimpeln kann .«
»Das macht mir ja gerade solche Sorgen, Brüderchen .« Boris drückte die Flasche fest an die Brust. »Daß ich es nüchtern mit ihm aufnehmen müßte !«
»Ich hab’ für einen Tag genug hinter mir«, knirschte ich. »Erst bin ich über Warrens Leiche gestolpert, und dann noch die vielen Fragen der Ortspolizei...«
»Aber das war doch kein Problem, Larry«, sagte er. »Du mußtest dem Inspektor lediglich die Wahrheit erzählen .«
Wieviel genau ich ihm von der Wahrheit erzählen sollte, das war der heikle Punkt gewesen. Zu guter Letzt hatte ich beschlossen, unerwähnt zu lassen, daß ich den Toten schon tags zuvor im Moor gefunden hatte, denn dann hätte ich auch den monströsen Vampir erwähnen müssen. Danach hätte mich der Inspektor entweder deshalb verhaftet, weil ich einen Leichenfund unterschlagen hatte, oder er hätte mich ins nächste Irrenhaus eingewiesen.
»Vielleicht überlegt es sich Trudi Lambert nach den jüngsten Ereignissen und kehrt nur zu gerne in die große Welt zurück — will sagen, nach Hollywood, zu unserem Film ?« Boris war von dem Gedanken so überwältigt, daß er sich einen neuen Drink eingoß.
Es klopfte leise, und Crespin trat ins Zimmer. Sein Gesicht war verzerrt, und seine Augen blickten so unruhig, daß sie ständig durchs Zimmer zu huschen schienen.
»Meine Herren, ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie mich so großzügig der Zusammenarbeit mit Ihnen würdigen«, sagte er leise. »Diese Last zumindest teilen zu dürfen — besonders jetzt, nach Warrens schrecklichem Tod — , bedeutet mir mehr, als Sie sich vorstellen können.«
»Warum
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