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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Akte
geschlossen und erhöhte seit damals den riesigen Berg unerledigter Fälle um ca.
1,5 Zentimeter Papier.
    Ein wirklicher Verdacht gegen
Gunnar kam nicht auf. Natürlich durchleuchteten sie ihn, aber seine Spielsucht
blieb so verborgen wie ein winziges Muttermal zwischen den Zehen.
    Enrico erhielt ein kleines
Entgelt für seine Tätigkeit als Entführer. Dann machten beide von ihrer
Freundschaft kaum noch Gebrauch, was sich fast von selbst ergab; denn dass sie
sich überhaupt kannten, durfte die Polizei nicht erfahren.
    Aber Enrico, der Leichtfuß,
vergaß nicht, welche furchtbare Angst das Mädchen ausgestanden hatte, und behielt
die hübsche Göre im Auge. Mit zwölf sah sie noch netter aus, mit 13 zum
Verlieben, mit 14 drehten sich die Typen auf der Straße nach ihr um, mit 15
hatte sie ihren Stiefvater satt bis zum Gaumenzäpfchen und kündigte ihm die
Freundschaft. Sophia zog aus, obwohl noch nicht volljährig, nahm sich in
Mailand ein Zimmer zur Untermiete und trat eine Lehrstelle an im schönsten
Modekaufhaus der Stadt. Enrico hatte sie noch immer im Auge. Er war verliebt
bis zum Selbstmord. Doch da war auch die berechtigte Scheu, sich ihr zu nähern.
Dennoch — an ihrem 16. Geburtstag schickte er ihr einen Strauß roter Rosen. Sie
trafen sich im Café Sala da té (Teesalon).
    Bei Sophia war es Liebe auf den
ersten Blick. Aber erst ein Jahr später fand Enrico den Mut, ihr alles zu beichten.
Sophia nahm es erstaunlich gelassen auf, fand tausend Entschuldigungen für
ihren Geliebten, begann aber, Mordpläne zu schmieden gegen ihren Stiefvater. Zu
dem bestand kein Kontakt mehr. Offensichtlich war er froh, sie los zu sein.
    Der erste Rachedurst legte
sich. Überlegungen wurden angestellt. Was tun? Die Polizei einzuschalten war
unmöglich. Genauso wie Gunnar wäre Enrico über die Klinge gesprungen. Längere
Zeit ging hin mit Unschlüssigkeit, aber dann kam Maria ins Spiel, Enricos
ältere Schwester, zu der er den besten Draht hatte, den Geschwister überhaupt
haben können untereinander. Sie wurde eingeweiht und ein neuer Gedanke tauchte
auf.
    Hatte Gunnar wirklich alles
Geld verspielt? Die ganzen 1 600 000 Schweizer Franken?! War nicht vielleicht
ein dicker Brocken übrig geblieben für Notzeiten, gegen Verarmung im Alter? War
der Mann wirklich so willensschwach und blöde, dass er sich vom Spielteufel
total hatte ausplündern lassen? Vielleicht war noch ein Drittel oder ein
Viertel des Vermögens vorhanden. Und er, Gunnar, hatte das damals gegenüber
Enrico verschwiegen, weil er ihn sonst — was Ehrensache ist — angemessen hätte
entlohnen müssen.
    Maria sah sich Gunnar an und
kam zu dem Schluss, dass sich dieser kernige Typ nicht kopfüber in den Abgrund
stürzt. Spielsüchtig? Und ob! Aber nicht total dumm. Nein! Da war bestimmt
irgendwo ein sechsstelliger Notgroschen.
    »Und dieses Geld«, sagte Maria
zu den beiden, »jagen wir ihm ab. Es gehört Sophia. Schlimm genug, dass das
meiste wahrscheinlich den Bach runter ist.«
    Jetzt, an diesem
Dienstagvormittag im Juni, hatte Maria wieder mal mit ihren zwiespältigen
Gefühlen zu kämpfen. Einerseits hatte sie sich an Gunnar herangemacht mit der
einzigen Absicht, ihn zu bespitzeln, irgendwie zu erfahren, wo das vermutete
Geld war. Andererseits konnte sie diese Nähe zu ihm nur aufbauen, weil sie sich
— wenigstens ein bisschen — in ihn verliebt hatte. Sie musste sich entscheiden.
Sollte es sich zuspitzen auf ein Entweder - oder — Gunnar oder Enrico und seine
Braut — dann gab’s kein Besinnen. Ihr Bruder stand ihr näher als der
spielsüchtige Kunstmaler. Dennoch, am liebsten wäre es ihr, wenn sich die Sache
arrangieren ließe. Das hätte dann so ausgesehen: Gunnar zeigt Reue, bittet
ehrlich um Vergebung und händigt seiner Stieftochter das noch verbliebene Geld
aus. Alle ziehen einen Schlussstrich und kein Misstrauen bleibt übrig.
    Maria hielt dieses Happyend
durchaus für möglich.
    Dass es noch Geld gab, nämlich
mindestens 400 000 Euro, davon war sie jetzt mehr denn je überzeugt. Gunnar
hatte sie zwar nicht ins Vertrauen gezogen, war aber zurzeit unterwegs, um sich
mit diesem heimlichen Notgroschen bei der Mafia freizukaufen.
    Dazu durfte es nicht kommen.
Sie mussten ihn abfangen, bevor der Deal lief. Nur Sophia — und damit indirekt
ihrem Bruder als Nutznießer — stand dieses Geld zu. Gunnar hatte hier nichts zu
verlieren, allenfalls die Bruchbude im Uro-Tal. Er konnte untertauchen, bis die
Gangster irgendwann das Interesse an ihm

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