Hölle ohne Hintertür
hatte, und besaß ein drei-zifferiges Zahlenschloss, das auf 0-0-0
geschaltet war.
»Die Kombination ist 5-5-5«,
sagte Martin. »Vorderstein weiß es. Du kannst nachzählen. Aber es sind
garantiert 68 000 Euro drin. Auf Papa kann ich mich verlassen und Hugo würde
uns nie beklauen. Eher schiebt er die Hände in eine Häckselmaschine.«
»Dann hätte er noch ein
Trauma.« Tim nahm das Case und stand auf. »Soll ich versuchen, mir eine
Quittung geben zu lassen? Aber das werden die Knochenbrecher nicht machen.«
Martin lachte abermals. »So ein
Deal, Tim, ist doch eine reine Vertrauenssache.«
»Du sagst es.«
Tim sockte zum Haupthaus
hinüber, in den zweiten Stock hinauf, zur Bude Adlernest. Dort schloss
er das Case in seinen Schrank ein.
Als er in die 9b zurückkam,
hockten ein paar Mitschüler herum, aber seine Freunde waren nicht da. Er habe
sie beim Pauker-Grün gesehen, sagte Hilmar. Dort, im schönsten Park des
Internatsgeländes, fand Tim die drei.
Sie saßen auf dem kleineren
Teil der Wiese, den eine Buschreihe vom großen Teil trennt. Gaby, im
Schneidersitz, beobachtete einen Zitronenfalter, der sich auf ihrem linken Knie
niedergelassen hatte. Karl lag auf dem Bauch, mit der Nase in seinem Wälzer.
Klößchen hatte die Beine zum Winkelsitz gegrätscht und auf einer
Papierserviette mit fünf gut belegten Semmeln einen Turm gebaut.
Tim setzte sich hinter Gaby und
schlang die Arme um sie.
»Vorsicht! Der Falter.«
»Ich oder der Falter«, grinste
er ihr über die Schulter.
»Dich habe ich immer. Aber wie
oft entscheidet sich ein Juwel der Lüfte für mein Knie als Landeplatz?«
»Wenn die Butterflys denken
könnten, wärst du von Kopf bis Fuß von ihnen besetzt.«
Gaby lachte.
Klößchen sagte: »Mein Problem
ist, dass ich die Semmel mit dem Saftschinken-Belag zuerst essen möchte. Aber
sie ist die unterste.«
»Dann hast du deinen
Proviantturm falsch gebaut«, murmelte Karl, ohne den Blick aus dem Buch zu
heben, »musst dich eben von oben nach unten durchfressen. Die Wirkung wird die
gleiche sein. Das heißt, du passt dann nicht mehr in deine Badehosen. Aber nach
XXL kommt nichts mehr.«
»Stimmt nicht!«, grinste
Klößchen. »Neuerdings gibt’s auch Sumo-Größen für die etwas andere Taille.«
»Ich habe eine etwas andere
Neuigkeit«, meinte Tim. »Martins Unfall war — wie vermutet — kein Unfall,
sondern die brutale Attacke von Gangstern der Zocker-Mafia, der er Geld
schuldet. Hat Spielschulden gemacht. Inzwischen sieht er ein, wie strunzdämlich
das war. Aber er sitzt in der Tinte, muss löhnen und hat mich zu seinem
Geldboten ernannt. Heute Nachmittag liefere ich ein dickes Wertpaket bei den
Ganoven ab.«
»Neiiin!« Gaby, noch von seinen
Armen umschlungen, schrie, als hätte sich der Schmetterling in einen Skorpion
verwandelt und bereits zugestochen. »Das... das... machst du nicht!«
Sie wand sich aus seinen Armen
und fuhr herum.
»Was... ist denn los, Pfote?«
»Du darfst das nicht machen.«
Ihr Entsetzen hätte zu einem Weltuntergang gepasst.
Aha!, dachte Tim. Jetzt muss
sie ihr Geheimnis aufdecken.
»Warum nicht? Martin hat sonst
niemanden dafür. Vertrauen ist nötig und Verantwortungsgefühl, denn die Summe —
wie ihr wisst — beträgt 68 000 Euro.«
»Du darfst das Geld nicht
überbringen.« Tränen traten Gaby in die Augen.
Sofort wurde sie abermals
umschlungen, diesmal von vorn.
»Pfote, warum denn nicht? Nun
sag, wo drückt dich der Schuh? Das hat doch sicherlich zu tun mit deiner
Weigerung, dich um die Sache zu kümmern. Gaby! Was ist wirklich passiert in dem
Wald am Klünitzer See?«
Sie schluckte. Ihr Gesicht lag
an seiner Schulter.
»Ich hätte es nicht gesagt.
Deinetwegen nicht. Aber jetzt weißt du ja schon alles. Und du steckst
mittendrin. Diese Verbrecher werden glauben, ich hätte geredet — und dich damit
in Gefahr gebracht.«
Tim streichelte ihr Haar. »Ich
könnte mir’s jetzt schon zusammenreimen. Aber besser ist, du erzählst.«
Gaby seufzte. »Also gut.« Sie
rutschte in den geometrischen Mittelpunkt zwischen Tim, Karl und Klößchen, die
unbeabsichtigt ein gleichseitiges Dreieck bildeten. Und Gaby berichtete, was
sich ereignet hatte, was der Grund war für ihr befremdliches Verhalten.
Als sie fertig war, nahm Tim
ihre Hand und küsste die Fingerspitzen. »Danke, Pfote, dass du dich so total
für mich und meine Sicherheit entschieden hast.«
»Ich würde dich zwar auch im
Rollstuhl umherschieben, aber das wäre nur die zweitbeste
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