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Hölle ohne Hintertür

Hölle ohne Hintertür

Titel: Hölle ohne Hintertür Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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nicht zu, aber er hatte vor Jahren
als Lehrling in einer Schlosserei angefangen und dann zeitweilig für einen
Schlüsseldienst gearbeitet. Das Know-how (gewusst wie) war ihm
geblieben.
    Er zog die Schubladen auf.
    »Hm!« Maria sah ihm über die
Schulter. »Fotoalben und ein Berg ungeordneter Fotos.«
    »Die hat er mir nie gezeigt«,
sagte Sophia mit schmollendem Ton.
    »Hätte es dich interessiert?«
Maria schaufelte die losen Fotos aus dem unteren Fach heraus auf den großen
Holztisch in der Mitte des Zimmers. »Sind offenbar Familienfotos.«
    Sie machten sich darüber her.
Fremde Menschen blickten sie an. Viele Fotos waren schwarz-weiß, also sehr alt,
zeigten Gebäude, Häuser, Landschaften, Straßenszenen — waren teils verwackelt,
alle sehr privat. Einem Fremden sagten sie nichts. Gunnar war auf keinem der
Fotos.
    »Die ältesten Bilder«, sagte
Maria, »sind etwa von 1930. Das sehe ich an der Mode.«
    »Ich sehe’s auch an den Autos«,
nickte Enrico.
    Auf der Rückseite einiger Fotos
war der Standort vermerkt: Wien, Dresden, Berlin, ein Dorf an der Grenze zu
Polen.
    »Familiengeschichte. Hilft uns
nicht weiter«, entschied Maria.
    Sie legten alles zurück und
wandten sich den Fotoalben zu, vier insgesamt. Zwei boten ein ähnliches Bild,
nur dass hier die Fotos eingeklebt waren. Die beiden anderen aber waren —
sensationell.
    Auch hier ein Teil
Schwarz-Weiß-Fotos, aber die meisten waren jüngeren Datums und farbig. Bei
einigen war mit tintiger Schönschrift erklärt, worum und um wen es sich
handelte.
    »Seine Familiengeschichte!«,staunte
Maria. »Da! Seine Eltern! Nicht übel. Und da... Das... das... gibt’s doch
nicht.«
    Alle starrten auf das Farbfoto.
Darunter stand: Gunnar und Alex mit 11 Jahren. Gunnar mit Pflaster am Knie.
    Dieser Zusatz war nötig, um die
beiden zu unterscheiden. Denn die abgebildeten Jungs trugen nicht nur die
gleiche Kleidung — sie waren sich auch ähnlich wie zwei Eier aus derselben
Handelsklasse.
    »Er... hat einen Bruder«, stieß
Sophia hervor. »Einen Zwillingsbruder. Davon hat er nie was erzählt.«
    Sie blätterten weiter. Es
folgten fast nur noch Fotos von Alexander und Gunnar: mit zwölf, 13, 15, 16,
17, 18 und 20. Dann als junge Männer, ohne Altersangabe. Immer noch mit
derselben Verwechselbarkeit. Weitere Fotos — von geringerer brüderlicher Innigkeit
— etwa bis zum Alter von Mitte dreißig. Sie trugen nun unterschiedliche
Klamotten und glichen sich immer weniger in der Haltung. Aber als eineiige
Zwillinge blieben sie wie die von elf Jahren. Dann war Schluss, keine weiteren
Bilder.
    »Das ist eine Überraschung!«
Maria schüttelte den Kopf.
    »Der andere heißt Alexander«,
sagte Sophia, obwohl das alle längst wussten.
    »Gunnar wird wissen«, meinte
Enrico, »warum er Alex nie erwähnt hat.«
    Maria nickte. »Genau das habe
ich mir eben überlegt.«
    »Ihr meint«, forschte Sophia,
»er hat das Geld bei seinem Bruder?«
    »Es wäre nirgendwo sicherer.«
    »Vorausgesetzt«, schränkte
Enrico ein, »dass sich die beiden grün sind. Aber Zwillinge verstehen sich ja
immer sehr gut.«
    »Nicht unbedingt, Bruderherz.
Sogar eineiige Zwillinge sind manchmal wie Feuer und Wasser trotz äußerlicher
Übereinstimmung.«
    »Auf den Fotos vertragen sie
sich.«
    »Das scheint mir auch so. Ich
glaube, wir haben eine brandheiße Spur. Nur wissen wir leider nicht, wo dieser
Alexander steckt. Ob in Wien, Dresden, Berlin oder einem Dorf an der polnischen
Grenze.«
    »Ich weiß es«, grinste Enrico,
»jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit.«
    »Aha? Habe ich Dummerchen auf
den Fotos ein Ortsschild übersehen?«
    »Maria! Du bist doch meine
große, kluge Schwester. Und Fotografin dazu. Porträtfotografin. Du achtest fast
nur auf Gesichter und nicht auf den Hintergrund.«
    »Und dort stehen die
Ortsschilder?«
    »Keine Ortsschilder. Aber auf
fünf oder sechs Fotos — und zwar den letzten — sind Autos zu sehen. Mit ihren
Kfz-Kennzeichen.«
    Sie sahen sich die Fotos
abermals an. Sie zählten neun unterschiedliche Auto-Kennzeichen. Aber immer von
derselben Stadt, einer deutschen Millionenstadt.
    »Jetzt, da ich’s genauer
betrachte«, meinte Maria, »scheint es mir, als wären die letzten Fotos mit
Selbstauslöser gemacht. Die beiden stehen nicht ordentlich im Bild, schon gar
nicht im Zentrum. Und die Körperhaltung des einen sieht aus, als wäre er gerade
zu dem anderen hingeflitzt, nachdem er an der Kamera den Selbstauslöser betätigt
hat, wodurch ihm dann nur ein paar

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