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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Fähigkeiten und brachte ihm einige nützliche Dinge bei. Ich war hellauf begeistert von ihm, und mein Enthusiasmus färbte auch auf Sofia ab, die solche Magie nie zuvor gesehen hatte. Offen gesagt, fand sie sogar mehr als nur Gefallen daran. Wir waren beide so sehr davon eingenommen, daß wir nicht darauf achteten, welche Wirkung das auf unseren Sohn hatte. Das war ein großer Fehler – einer von denen, die bis in alle Ewigkeit mein Gewissen belasten werden. Manchmal war ich versucht, den Trank des Vergessens aufs neue zu verwenden, um mich dieser Verlegenheit zu entziehen. Doch die Geschichte des anderen Jungen werde ich im nächsten Kapitel erzählen; das folgende soll nur Crombie gewidmet sein.
    Als er nämlich bemerkte, daß unsere ganze Aufmerksamkeit von dem anderen Jungen vereinnahmt wurde, reagierte er äußerst erbost und eifersüchtig. Crombie besaß selbst ein beachtliches magisches Talent, doch es reichte nicht an das magische Potential des anderen Jungen heran. Er war enttäuscht, daß ich ihn vernachlässigte, doch da er selbst in guten Zeiten wenig Kontakt zu mir gehabt hatte, machte ihm das nicht so viel aus. Erst als Sofia sich auch noch von ihm abwandte, kochte seine hilflose Wut endgültig über. Sie war doch seine Mutter! Wie konnte es bloß angehen, daß sie ihn wegen eines Fremden vernachlässigte? Ein paar klärende Worte hätten ausgereicht, seinen Zorn zu beschwichtigen, doch wir waren nicht umsichtig genug, und so blieben die Worte ungesagt.
    Also tat Crombie das Naheliegendste: Er suchte sich eine neue Mutter, eine bessere. Eine, die ihm ihre volle Aufmerksamkeit widmete und alle anderen Kinder links liegen ließ. Oh, welch tragisches Unheil lag in diesem Entschluß!
    Crombies Talent bestand darin, Dinge zu finden. Er brauchte nur fest daran zu denken, die Augen zu schließen, sich einmal um sich selbst zu drehen und den Finger auszustrecken – dann wies er direkt in die Richtung, in der das Gewünschte lag. Die Entdeckung seiner Gabe war sehr aufregend gewesen. Zwar konnte er als Baby aus naheliegenden Gründen sein Talent noch nicht voll entfalten, aber sobald er anfing zu laufen, ertappte Sofia ihn immer wieder dabei, daß er sich aus der Keksdose bediente – egal, wo sie diese versteckte. Zu guter Letzt entdeckte sie, daß er die Gabe hatte, die Keksdose überall aufzuspüren. Er konnte einfach alles finden, sogar immaterielle Dinge. Aber er wußte nie genau, wie weit entfernt sie waren. Sicher bestimmen konnte er nur die Richtung. Da er das Schloß nicht allein verlassen durfte, hatte er kaum andere Gelegenheiten, sein Talent zu erproben, als eben diese Kekse aufzustöbern.
    Doch in seiner Wut übertrat er dieses Verbot. Er drehte sich um sich selbst, streckte den Finger aus und öffnete die Augen. Dann lief er in die angezeigte Richtung.
    Und prallte gegen eine Wand. Seine Gabe nahm nämlich keinerlei Rücksicht auf Hindernisse, die im Weg standen. Sie gab lediglich die Richtung an. So verließ er erst einmal das Schloß durch die Türen und versuchte es erneut. Diesmal zeigte er quer über den Schloßgraben.
    Er wußte genau, daß er nicht auf die andere Seite durfte, aber seine Verbitterung trieb ihn weiter. Falls er sich nun im unbekannten Wald verirrte, geschah das seiner Mutter nur recht. Vielleicht kehrte er nie wieder nach Hause zurück; dann hatte sie selber schuld. Natürlich konnte er nach Hause zurückfinden, indem er sein Talent benutzte – falls er seine Meinung ändern sollte.
    So überquerte er die Zugbrücke. Souffl reckte den Kopf aus dem Wasser und zischelte warnend; sie wußte genau, daß es dem Jungen nicht erlaubt war, das Gelände allein zu verlassen. Doch Crombie rannte einfach weiter, und das Ungeheuer konnte ihn nicht aufhalten, weil es sich niemals erlaubt hätte, meinen Sohn zu beißen.
    Crombie verließ sich ganz auf seine Gabe und folgte der Richtung, die ihm sein Finger wies: hinein ins Dickicht. Alarmiert glitt Souffl aus dem Schloßgraben und kroch ins Schloß, um uns zu warnen. Doch Sofia mißverstand sie gründlich. »Du machst meinen Teppich ganz naß!«, kreischte sie. »Verschwinde! Auf der Stelle!« Völlig eingeschüchtert zog Souffl sich hastig zurück. Eigentlich war es nur äußerst selten von Nachteil, daß sie nicht sprechen konnte wie ein Mensch. Dies war einer der seltenen Augenblicke.
    Nach diesem Mißerfolg eilte die Riesenschlange durch den Schloßgraben und kroch hinter Crombie her. Aber sie war zu langsam, weil sie die Fährte

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