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Höllen-Mädchen

Titel: Höllen-Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Nähe standen ein Tortenbaum und einige Milchkräuter. Ich kam mit einem Arm voll Torten und Schoten zurück.
    Das Einhorn hatte sich erhoben und graste friedlich. Instinktiv belastete es das verwundete Bein nicht, und es schien auch auf drei Beinen ganz gut zurechtzukommen. Das Mädchen lehnte mit dem Rücken an einem Eisenholzbaum und versuchte sich abzubürsten. Sie hatte rattenbraunes Haar und Augen von der gleichen Farbe, eine schlanke Taille und wohlgeformte Hüften. Unter dem Kleid trug sie kurze Hosen; dennoch waren ihre Beine recht beeindruckend. Ihrem Aussehen nach war sie wohl ein paar Jahre älter als ich, zumindest wirkte sie um fünf Jahre reifer.
    Nicht, daß es eine Rolle gespielt hätte. Solche Feinheiten stellte ich erst seit kurzem bei Mädchen fest. Doch diese neue Sichtweise konnte ihr ständiges Bevormunden kaum aufwiegen. Bisher hatten Mädchen mich nur ausgelacht, falls sie überhaupt Notiz von mir nahmen. Da konnte ich sie ebensogut zurückignorieren.
    Die Torten und Milchschoten, die ich noch immer trug stapelte ich vor ihr auf.
    »Oh, wunderbar!« rief sie freudig. »Das ist genau das Richtige!«
    Von diesem unerwarteten Lob fühlte ich mich auf ganz törichte Weise benommen und sagte gar nichts.
    »Setz dich«, drängte sie. »Wir müssen das essen, bevor es verdirbt.«
    Warum folgte ich der Bevormundung nur so gern?
    Das Mädchen legte los und zeigte dabei die spezielle Fähigkeit ihres Geschlechts, nämlich gleichzeitig essen und sprechen zu können. »Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt«, sagte sie, während sie an einem Stück Kirschtorte kaute. »Mein Name ist MähreAnne. Ich habe die Fähigkeit, Pferdewesen herbeirufen zu können und sie freundlich zu stimmen. Wie heißt du, und welches Talent hast du?«
    »Ich bin Humfrey. Ich… ich habe offensichtlich kein Talent.«
    »Du meinst, du hast es bisher noch nicht entdeckt, oder?«
    »Genau! Das habe ich damit gemeint.« Niemand mußte über ein magisches Talent verfügen, aber die Mehrzahl der Leute besaß eins, und ich fühlte mich dadurch irgendwie aus der Art geschlagen.
    »Na ja, es wird sicherlich noch zutage treten. Ich bin fünfzehn. Wie alt bist du?«
    Ich staunte: »So jung bist du?«
    »Aber sicher! Und du?«
    »Ich bin… ich bin auch fünfzehn.«
    Sie sah mich durchdringend an. »So alt bist du?«
    »Aber sicher«, gab ich angesichts ihres offenkundigen Unglaubens schwach zurück.
    »Oh, dann bist du ein Gnom«, sagte sie daraufhin.
    »Nein, ich bin ein Mensch. Ich sehe nur aus wie ein Gnom.«
    »Ach, das tut mir aber leid.« Doch sie sah nicht so aus, als würde es ihr wirklich leid tun. Sie schien eher an meinen Worten zu zweifeln. Weil sie meine Aussage nicht offen in Frage stellen wollte, befand sie sich in einer etwas peinlichen Situation. Ich konnte gut nachempfinden, wie sie sich fühlte.
    Nach einer Weile blickte sie sich um. »Gibt es hier in der Nähe Wasser? Einen See oder einen Fluß, in dem wir uns waschen können? Du bist ganz schmutzig. Und ich bin in dieser Hinsicht schon eine Art Attraktion.«
    »Ein Stück weiter zurück bin ich an einem Fluß vorbeigekommen. Aber du würdest dich bestimmt nicht… mit mir dort waschen wollen.«
    »Aber natürlich würde ich das!« sagte sie in ihrer gefühlsbetonten, sehr weiblichen Art. »Oder habe ich dich schon zu sehr von deinen Plänen abgehalten?«
    »Welchen Plänen?«
    »Du gehst doch irgendwo hin, oder nicht? Und du wärst bestimmt schon dort angelangt, wenn Horntensie und ich nicht gewesen wären.«
    »Aber nein. Ich befand mich lediglich auf dem Weg, der vom Spaltendorf wegführt. Ich hatte kein besonderes Ziel.«
    »Von was für einem Dorf?«
    »Die Spalte. Du kennst doch den Abgrund.«
    »Nein, ich kenne ihn nicht ! Welcher Abgrund denn?«
    Dann fiel es mir wieder ein. Es lag ein Vergessenszauber über der Spalte. Ich hatte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gelebt und war deshalb wohl immun dagegen. Das glaubte ich damals jedenfalls. Aber das Mädchen war fremd hier und hatte deshalb alles vergessen oder gar nicht davon gehört. So war eben die Wirkung dieses uralten Zaubers. Es hätte also nichts genützt, ihr etwas darüber zu erzählen; sie hätte es sowieso wieder vergessen. »Nur eine große Spalte. Ist nicht weiter wichtig, genausowenig wie mein Dorf. Ich würde gern irgendwohin gehen, wo es interessanter ist.«
    »Na, so was. Wo ich herkomme, ist es genauso langweilig! Unser Dorf liegt am Ufer des Spritztourflusses. Das einzig Interessante

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