Höllen-Mädchen
lahm waren. Das Einhorn hatte sich einen Vorderhuf gebrochen, und auch das Mädchen schien einen behandlungsbedürftigen Knöchel zu haben. Er begann bereits anzuschwellen.
»Hast du irgendwelche Erfahrung im Heilen?« fragte sie.
»Nicht viel, aber vielleicht kann dieses Kraut euch helfen.« In Wirklichkeit war ich mir sicher, daß es half, aber irgend etwas, vielleicht die Nähe des Einhorns oder die des Mädchens, nahm mir mein Selbstvertrauen.
»Nur eine simple Pflanze?« erkundigte sie sich. »Für Horntensie sind das doch nur zwei Happen!«
»Auf keinen Fall essen!« rief ich aufgeregt. »Das ist ein Knochenrichtkraut.«
»Ein was?«
»Ein Zauberkraut, das Knochenbrüche richtet. Ich werde es hier einpflanzen, damit es seine Wirkung entfalten kann.« Nun, da ich feststellte, daß ich etwas wußte, von dem sie keine Ahnung hatte, wuchs mein Selbstvertrauen wieder.
Ich benutzte meinen Stock, um neben dem gebrochenen Vorderhuf des Tieres ein Loch zu graben. Dann ließ ich die Pflanze hineingleiten und klopfte den Boden um sie herum fest.
»Wenn ich nun das Bein berühren darf…?« fragte ich zögernd und streckte die Hand nach dem Einhorn aus. Als es nicht zurückzuckte, umfaßte ich das Bein mit beiden Händen und zog es vorsichtig ans eingepflanzte Kraut heran. Dann legte ich es so neben die Pflanze, daß sie das Bein gerade noch berührte.
Sofort fingen die Blätter an zu zittern. Die Stengel streckten sich und wanden sich um das gebrochene Bein. Die Ranken legten sich fest herum. Plötzlich zogen sie sich zusammen, und man hörte ein gedämpftes Knacken. Das Einhorn stieß einen Schmerzenslaut hervor und schlug mit dem Huf aus.
»Was ist geschehen?« rief das Mädchen.
»Es hat den Knochen ausgerichtet«, erklärte ich. »Das ist die Magie dieses Krauts.«
Sie schaute sich das Bein des Einhorns an, das jetzt nicht mehr gebrochen war. »Tatsächlich!« stieß sie hervor und mochte es kaum glauben. »Das Bein sieht schon viel besser aus.«
»Nein, der Knochen ist nur ausgerichtet, und es wird noch einige Tage brauchen, bis er verheilt ist, falls ich die richtigen Kräuter finde. So lange sollte das Tier sein Bein nicht zu sehr belasten.«
»Sie ist kein Tier!« widersprach das Mädchen. »Sie ist ein Einhorn.«
Es hat keinen Sinn, mit einem Mädchen streiten zu wollen, deshalb versuchte ich es gar nicht erst. »Gut, ein Einhorn«, stimmte ich zu.
»Diese Pflanze – glaubst du, daß sie auch bei meinem Knöchel hilft?«
Ich zuckte die Schultern. »Ich glaube schon, falls er überhaupt gebrochen ist.«
Sie drehte sich um und streckte ihr Bein aus. Ich griff danach und führte es zum Knochenrichtkraut. Die Stengel fanden Halt, indem sie den Fuß und den Knöchel eng umwanden. Obwohl dieser blau angelaufen war und anschwoll, sah ich, daß ihr nacktes Bein unter dem ganzen Dreck recht hübsch geformt war.
»Wird es weh tun?« fragte sie nun – reichlich spät. Auch das Gesicht und die Arme waren völlig verschmutzt. Sie hatte sich wirklich im Dreck gewälzt.
»Für einen kurzen Augenblick«, antwortete ich.
»Dann halt mich fest.«
Ich hatte keine Ahnung, wie man Mädchen festhielt und war ganz verlegen. Ich kniete mich neben sie und legte ihr die Arme um die Schultern. Als das Mädchen saß, wandte es sich mir zu und legte den Kopf gegen meine Schulter und den Arm um meine Taille.
Die Pflanze zog sich zusammen. Man hörte ein leises Plopp. »Oh!« keuchte sie, und ihre Arme drückten fest zu.
»Das war’s schon«, sagte ich. »Das muß ein kleiner Bruch gewesen sein, aber nun ist er eingerenkt. Du solltest den Fuß aber nicht allzu sehr belasten, bis er vollständig geheilt ist.«
»Er fühlt sich schon viel besser an«, erklärte sie, nahm den Kopf von meiner Schulter und wischte sich mit den Handrücken die Tränen aus den Augen. »Aber ich muß doch damit herumlaufen, um uns was zu essen zu besorgen.«
»Ich kann etwas besorgen«, sagte ich, ohne zu wissen warum. »Ich weiß, wo man gutes Essen findet.«
»Oh, würdest du das tun?« fragte sie begeistert, was ein angenehmes Gefühl bei mir auslöste, dessen Ursache mir jedoch noch schleierhaft war.
Also zog ich los und sah mich nach Dingen um, die einem Mädchen schmecken mochten. Ich für meinen Teil wäre mit gedünsteten Nacktschnecken zufrieden gewesen, denn ich hatte entdeckt, daß sie einfach zu fangen und recht nahrhaft waren, aber ich nahm an, daß das Mädchen einen etwas anderen Geschmack hatte. Und ich hatte Glück: in
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