Höllen-Mädchen
ab. Die silberne Wasserfläche stürzte auf uns zu, und im nächsten Augenblick waren wir schon durch sie hindurch. Eine völlig andersartige, neue Welt eröffnete sich uns hier. Dies war das Reich der Dämonen. Das Eintauchen in den See hatte vermutlich reine Tarnfunktion. Denn alle Dämonen besaßen die Gabe, sich jederzeit zu dematerialisieren und im gleichen Augenblick an jeder anderen Stelle in beliebiger Entfernung wieder aufzutauchen. Ob das gerade auch mit mir passiert war? Welch aufregender Gedanke! Natürlich war es genauso gut möglich, daß sich unter der Wasseroberfläche tatsächlich ein Zugang ins Dämonenreich befand.
Metria hatte inzwischen wieder ihre natürliche Gestalt angenommen. Mir war schon klar, daß auch die menschliche Form für eine Dämonin wie Metria genauso natürlich oder unnatürlich war wie die Drachengestalt. Für Dämonen sind alle Gestaltformen vollkommen unnatürlich. Ich persönlich zog jedoch die menschliche vor.
Wir standen vor einem riesigen Schreibpult, auf dem sich Türme absolut bedeutungslosen Papiers stapelten. Ein Dämon mit beginnender Halbglatze und dicken Brillengläsern saß dahinter. Wie seltsam! Denn mit der Fähigkeit, jedwede Form anzunehmen, litten Dämonen normalerweise nicht unter den Gebrechen Normalsterblicher. Offenbar schien dieses Exemplar ein reizloses Äußeres zu bevorzugen. Neben ihm stand ein Namensschild und darauf der Name: BÜROKRAT. »Der nächste!« schnarrte er.
Metria gab mir einen leichten Rippenstoß: »Schreib dich ein, Martinsgans!«
»Was?«
»Christstollen, Johannisbeere, Franzbrötchen…«
»Hanswurst?«
»Egal. Mach schon!«
Ich wandte mich an den Schreibtischdämon: »Mir geht es um die Wurst. Ich meine… ich möchte mich bitte immatrikulieren.«
Lauthals gähnend öffnete der Dämon den Schlund, der sich buchstäblich bis zu seinen Füßen erstreckte. Er war vollkommen hohl. Ein Bleistift und ein kompliziert aussehendes Antragsformular materialisierten. »Name?« fragte er gelangweilt.
»Humfrey.«
Der Dämon machte eine kleine Notiz auf dem Formular. »Art?«
»Menschlich.«
Er fixierte mich mit einem müde blickenden Auge. Das andere blieb weiter auf das Formular gerichtet. »Betreuer?«
»Metria, die Dämonin.«
Jetzt bewegte sich auch das linke Auge, entfernte sich von dem Papier und richtete sich auf Metria. »Wieder mal zu Späßen aufgelegt, Weibchen?«
»Ja, ja, es wird manchmal recht langweilig da oben im Menschenland«, verteidigte sie sich.
»Da kannst du Gift drauf nehmen.« Beide Augen auf mich gerichtet, fügte er hinzu: »Du bist dir doch darüber im klaren, Humfrey, daß sie wohl kaum dein Wohlergehen im Auge hat? Deine Bewerbung ist einfach ein Witz für uns Dämonen. Weißt du, es gibt einfachere Möglichkeiten, sich erniedrigen zu lassen. Es läßt sich alles arrangieren.«
»Ja«, keuchte ich mit trockener Kehle.
Die Augen des Dämons wanderten wieder zum Papier. »Hauptfach?«
»Magie!«
»Bist du sicher?«
Ich fühlte mich plötzlich beklommen. »Ich möchte ein anerkannter Magier unter meinesgleichen werden. Man hat mir gesagt, daß ein magischer Magistergrad eurer Universität dafür ausreichend wäre.«
»Ganz recht. Nebenfach?«
»Informationswissenschaften.«
Wieder richtete sich eines der Dämonenaugen auf mich. »Es gibt einfachere und wesentlich spannendere Fachrichtungen.«
»Information ist Macht«, erwiderte ich gelassen.
»Beweggründe?«
»Ich möchte ein echter Zauberer werden, um die Frau zu heiraten, die ich liebe.«
Bürokrat, der bürokratische Dämon, hob nun die Faust, in der sich inzwischen ein großer Stempel befand, und stempelte das Antragsformular gewichtig ab. »Geh weiter in deine Schlafkammer – der nächste!«
»Aber…«, wollte ich einwenden.
»Du möchtest also deine Bewerbung jetzt schon zurückziehen?« unterbrach er mich, während eines der Dämonenaugen zu mir herumfuhr.
»Nein. Muß ich denn überhaupt nichts bezahlen? Es ist doch unter Dämonen eigentlich nicht üblich, irgend etwas umsonst zu tun.«
»Du wirst schon noch bezahlen.« Das Auge wandte sich wieder ab.
»Aber wie? Ich möchte…«
Für einen kurzen Augenblick blickten mich wieder beide Augen an. »Auf die übliche Weise. Du wirst den dummen August für uns spielen. Was hattest du dir denn gedacht?«
Er scherte sich einen Dreck um meine Gefühle, das erklärte auch seine so offene und direkte Art. Ich mußte hier in Zukunft, bei allem was ich erlebte, mit dämonischen
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