Höllen-Mädchen
Zwischenzeit läßt Souffl dich vielleicht im Schloßgraben schwimmen.«
Die Riesenschlange zischte ärgerlich, als von ihr die Rede war, da sie ihren hübsch-sauberen Schloßgraben nicht durch meine Wenigkeit verschmutzt sehen wollte. Rose wandte daraufhin den Kopf und hob nur leicht die Augenbraue – schon kroch ihr das Ungeheuer zu Füßen. Das konnte ich aus eigener Erfahrung gut nachfühlen.
Rose schritt anmutig nach drinnen, während ich mein Kleiderbündel am Ufer ablegte und gemächlich in das erfrischende Wasser watete. Bald darauf strahlte ich wieder vor Sauberkeit und hinterließ im Graben eine schmutzige Brühe. Souffl hatte sich ganz auf die andere Seite des Schlosses zurückgezogen, doch ich hörte leise ihr Schniefen.
Nachdem ich wieder aufgetaucht war, ging ich zu einem Wäschebaum und pflückte mir ein Handtuch. Natürlich tauchte auch genau in diesem Augenblick Rose auf und überraschte mich im Adamskostüm. Huch!
Aber sie lächelte. »Ich habe deinen athletischen Körper schon in jeder Verkleidung gesehen«, murmelte sie. »Der Wandteppich verbirgt nichts.«
Das war nur zu wahr. Zwar kannte ich das Geheimnis des Wandteppichs nur aus der Legende, aber ich hoffte, ihn eines Tages als Zauberer ausgiebig betrachten und auch nutzen zu dürfen. Natürlich hatte ich keine körperlichen Geheimnisse vor Rose!
Während ich mich vollständig abtrocknete und ankleidete, bereitete Rose auch schon alles für die Beschwörung vor. Es war ein recht seltsames Unterfangen, denn man benötigte dazu ein Pentagramm (einen fünfzackigen Stern), eine Kerze und eine Zauberformel. »Die Formel und die Flamme der Kerze dienen gemeinsam dazu, den Dämon erscheinen zu lassen«, erläuterte Rose. »Das Diagramm hindert den Dämon daran, herauszugreifen und dich auszuquetschen, weil er sauer ist, beschworen zu werden. Er kann das Pentagramm nicht verlassen. Es sei denn, du läßt ihn heraus, was du aber nicht tust, ehe er nicht durch einen Handel mit dir gebunden ist.«
»Das ist ein wirklich ausgebuffter Trick«, gab ich zu. Immerhin hielt ich mich für einen Spezialisten, was Dämonen betraf, hatte aber bisher nicht gewußt, daß man sie auf diese Art beschwören konnte. Dana hatte mir darüber nie etwas erzählt. Selbst in ihrem moralisch-beseelten Zustand hatte sie eine gewisse Vorsicht bewahrt. »Wie lautet die Zauberformel?«
»Es gibt eine ganze Reihe verschiedenster Variationen«, antwortete Rose. »In einigen kommen Begriffe vor, die ich als Mädchen natürlich überhaupt nicht verstehe. Vermutlich haben die Dämonen als Kreaturen der Unterwelt eine drastischere Ausdrucksweise. So weit ich es verstanden habe, kannst du eigentlich alles sagen, was du willst, solange es sich nur reimt. Der Wortsinn dient dann wiederum dazu, ganz spezielle Dämonen herbeizurufen.«
Das brachte mich auf eine Idee. »Vielleicht läßt sich ja, na, du weißt schon, die Dämonin beschwören, mit der ich mal verheiratet war. Sie könnte zumindest nicht so tun, als würde sie mich mißverstehen.«
»Ja, vielleicht«, sagte Rose wenig begeistert. Weshalb ich darüber nachzudenken begann, wie deutlich ihr wohl der Wandteppich über Dinge, die eigentlich nur die Verschwörung der Erwachsenen etwas angingen, schon Auskunft erteilt hatte. Da er zumindest unterscheiden konnte, ob der Zuschauer von königlichem Geblüt war oder nicht, war anzunehmen, daß er auch beurteilen konnte, ob der Betrachter schon alt genug war. Aber würde er Rose für zwanzig oder für zweihundertsechsundsechzig Jahre halten? Ab wann war für ihn diese legendäre Mündigkeit erreicht? Ich durfte nicht davon ausgehen, daß Rose – trotz ihrer stets beteuerten mädchenhaften Unschuld – all die Jahre völlig unwissend geblieben war. Es gab genug gute Gründe für sie, auf Dana eifersüchtig zu sein. Doch war Dana der einzige Dämon, den ich mit Namen kannte.
Wir zündeten die Kerze an und stellten sie in die Mitte des Pentagramms. Dann trat ich aus dem Zeichen heraus und sprach gemessen die Worte: »Dana, Dämon, fliegst vorbei – komm zu mir, ganz ohne Scheu.« Im Grunde war ein scheuer Dämon eine lachhafte Vorstellung; in diesem Fall, ging es mir jedoch um den Reim.
Die Kerze flackerte. Rauch stieg von ihr empor und breitete sich mehr und mehr aus, bis beinahe das gesamte Pentagramm mit einer dichten Rauchwolke ausgefüllt war. Feurige Augen manifestierten sich aus den Schwaden, und zuckende Tentakel wurden sichtbar. Was hatten wir da nur für ein Ungeheuer
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