Höllenbote Angela
erschreckte ihn das zweite Mal. Da war Big Smith der Sargdeckel aus den Händen gerutscht und auf den Boden gefallen.
Den ersten Schreck hatte er beim Hineinschauen in den Sarg erlitten. Er war nämlich leer…
***
Unmöglich!
Dieses eine Wort hörte sich für Big Smith an wie ein Schrei, obwohl es nur durch seinen Kopf zuckte. Einfach unmöglich! Wie konnte die Tote den Sarg verlassen haben? Das gab es nicht. Da mußte jemand nachgeholfen haben.
Doch wer?
Er kam mit der Lage nicht mehr zurecht. Sein Gesicht war kalkbleich geworden. Die Augen hatten sich geweitet, und so starrte er auch in das leere Unterteil des Sarges.
Er wußte nicht, was er denken oder fühlen sollte. In ihm war eine schreckliche Leere. Zugleich allerdings entstanden Bilder in seinem Kopf.
Er sah Personen, Szenen. Er sah Lebende, er sah Tote. Fragmente aus den mörderischen Einsätzen, in die er seine Untergebenen geschickt hatte. Ihm kam in den Sinn, daß es einer von ihnen gewesen sein mußte, der hier eingedrungen war und die Leiche gestohlen halle. Etwas anderes wollte er nicht akzeptieren.
Doch wer wußte davon?
Es gab einige wenige, die eingeweiht waren. Denen hätte er es auch zugetraut, aber trotzdem würde er das nicht unterschreiben, denn ihnen fehlte ein Motiv. Big Smith konnte sich zumindest keines vorstellen, das realistisch gewesen wäre.
Es blieb eine Tatsache, daß die Leiche nicht mehr im Sarg war. Man hatte sie gestohlen.
Es sprach für seine Professionalität, daß er sofort an die Zukunft dachte und auch daran, was werden würde oder werden könnte. Die Leiche war ver schwunden. Man würde eine Suchaktion starten müssen – oder? Er grübelte wieder. Schon jetzt stellte er sich die Frage, ob eine derartige Aktion wirklich nötig war.
In seiner Kehle klebte ein Kloß. Er fühlte sich ziemlich mies und überhaupt nicht mehr tough. Es sah wirklich alles nach einem Diebstahl aus. Warum, zum Henker, wollte er tief in seinem Innern dies nicht akzeptieren?
Big Smith wußte es selbst nicht. Er stand auf der Stelle und glotzte ins Leere, jetzt nicht mehr fähig, einen klaren Gedanken zu fassen, da in seinem Kopf so einiges durcheinander wirbelte.
Sein Herz schlug wieder schneller. Allmählich drückte sich bei ihm eine Ahnung hoch, die nicht mehr das blieb, was sie war, denn sie wandelte sich in eine Gewißheit um.
I her stimmte etwas nicht. Einiges lief verkehrt. In dieser Umgebung ging es nicht mit rechten Dingen zu. Rational war es für Big Smith nicht zu erklären, und genau das sorgte bei ihm für die Bedrückung.
Abhauen, wegfahren, flüchten!
Es war nicht seine Art, so zu denken. Er war stets stolz darauf gewesen, vor Schwierigkeiten niemals zu kapitulieren. Das sah jetzt anders aus. Zudem befand sich niemand in der Nähe, der ihm hätte zu Hilfe eilen können.
Noch blieb er stehen und lauschte seinem Atmen nach. Scharf floß das Geräusch aus seinem Mund. Aber es war nicht laut genug, um ein anderes zu übertönen.
Der dumpfe Laut – schon ein Echo – war hinter ihm aulgeklungen. Als wäre ein Gegenstand auf ein Hindernis geschlagen worden, das schon einem Gong glich.
Big Smith fuhr herum. Sein Herz klopfte dabei schneller. Wieder spürte er den verdammten Schweiß. Er wußte mit Bestimmtheit, daß er sich nicht geirrt hatte.
Da war etwas.
Sein Blick fiel auf den Wagen. Und dabei direkt auf die breite Fahrerseite. Die Scheinwerfer stießen ihre hellen Lanzen in eine andere Richtung, so daß die Seite des Fahrers noch ein wenig in der Dunkelheit lag. Dort stand die Gestalt. Sie lehnte mit dem Rücken an der Karosserie und schaute ihn an.
Es war eine Frau.
Big Smith brauchte die Lampe nicht erst anzuheben, um sie zu erkennen. Vor ihm stand Angela Sarti, und sie bewegte sich!
***
Big Smith sah es, wollte es jedoch nicht glauben. Er schüttelte den Kopf. Seine Blicke folgten der Bewegung der Hand, die allmählich in die Höhe glitt, als wollte sie ihn auf eine besondere Art und Weise begrüßen. Das Gesicht lag noch im Schatten, denn der Mann traute sich vorerst nicht, die Lampe anzuheben, um die Person anzuleuchten. Für ihn war sie zwar vorhanden, nur wollte er nicht wahrhaben, daß es sie tatsächlich gab und sie dort einfach stand, als wäre nichts geschehen, als wäre sie gar nicht tot. Als hätten die Kugeln sie nicht getroffen.
Für ihn war es der wahre Irrsinn. Er kam damit nicht zurecht. Sein Weltbild stand Kopf. Was einmal tot war, das sollte auch tot bleiben, hier aber erlebte er das
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