Hoellenengel
Leder gehört
und was keiner benutzt.«
»Was haben sie gesehen?«
»Es war ein hässlicher Anblick. Die Frau ist total
zusammengebrochen. Jetzt ist ein Arzt bei ihr.«
»Mein lieber Randver«, sagte Víkingur.
»Ich befinde mich in Amsterdam und wollte heute eigentlich
Urlaub machen. Dann rufst du an und fragst, ob ich schnurstracks
nach Hause kommen kann. Ist es zu viel verlangt, wenn du mir ohne
viel Umschweife sagst, was los ist?«
»Das ist ja das, was ich versuche«, antwortete Randver.
»Als wir, also die Leute von der Kripo und von der
Spurensicherung, vor Ort ankamen und in dieses alte Sommerhaus
gingen, haben wir drin drei Leichen gefunden. Drei
Männerleichen. Der eine Leichnam ist Elli aus dem Octopussy,
dieser Pornoschuppenbesitzer, die anderen beiden sind
einschlägig bekannte Geldeintreiber, das Goldköpfchen und
der Bäcker, die im Vorstrafenregister Ævar Gísli
den Nachnamen weiß ich nicht und Jóhann
Baker heißen. Der Arzt, der unter uns gesagt nicht so
aussieht, als würde er in Kürze den Nobelpreis bekommen,
sagt, dass man den Todeszeitpunkt vor der Obduktion nicht mal
halbwegs genau bestimmen kann.
Es sind sicher ein paar Tage vergangen, seit die Männer
umgebracht worden sind. Die Leichen sind blauschwarz und
aufgequollen und der Verwesungsgeruch ist so stark, wie ich es noch
nie erlebt habe. Die arme Þórhildur, hier in diesen
Horror zu kommen, aber wir können ihre Fähigkeiten gut
gebrauchen. Es ist widerwärtig. Hier war die letzten Tage
natürlich Sonnenschein und sengende Hitze
...«
»Umgebracht?«
»Ja, daran bestehen keine Zweifel.«
»Wie?«
»Die genaue Todesursache bekommen wir wahrscheinlich erst
nach der Autopsie, aber mir scheint ziemlich klar zu sein, dass sie
zu Tode gemartert worden sind.«
»Und wie?«
»Ich weiß nicht, wie ich dieses Grauen beschreiben
soll. Kreuzigung ohne Kreuz war das Erste, was mir einfiel. Elli
und Goldköpfchen sitzen am Wohnzimmertisch und sind
festgenagelt worden.«
»Wie das?«
»Mit Fünf- oder Sechszollnägeln, scheint mir. Also,
man hat sie einander gegenüber am Tisch Platz nehmen lassen,
und statt sie zu fesseln, hat der Mörder oder haben die
Mörder sie einfach festgenagelt, Nägel durch die
Hände und die Arme getrieben, durch die Kleidung, und ihre
Füße sind sogar auf den Boden genagelt worden, ohne dass
ihnen die Schuhe ausgezogen worden wären.
Der Tisch steht ganz dicht an der Wand zur Küche und der
Bäcker ist an die Wand genagelt worden, nicht gekreuzigt oder
in so einer Stellung, mit ausgebreiteten Armen, sondern die Arme
liegen am Körper an und sind fest an die Wand gepinnt. Da hat
jemand ordentlich Hand angelegt, wenn man so sagen
kann.«
»Waren die Männer noch am Leben, als das gemacht
wurde?«
»Ja, es scheint kein Zweifel daran zu bestehen, dass sie
quicklebendig waren.«
»Du sagtest, dass sie gefoltert worden seien. Meintest du
zusätzlich dazu?«
»Und wie. Nase und Ohren wurden ihnen abgeschnitten und
einige Zähne herausgeschlagen. Elli ist allerdings eindeutig
am allerschlimmsten zugerichtet worden. Es sind ihm Finger
abgeschnitten worden. Beide Augen wurden ihm herausgestochen. Man
kann es kaum beschreiben.«
Randver stöhnte, hielt eine kurze Zeit inne und fuhr dann
fort: »Ich kann dir sagen, Víkingur, ich bin schon
lange bei der Polizei und dachte, ich hätte fast alles
gesehen. Zumindest hätte ich nie geahnt, dass ich einmal etwas
Derartiges zu sehen bekommen würde. So eine Grausamkeit. So
einen Sadismus. Das ist nicht normal.
Du musst nach Hause kommen und dich um den Fall
kümmern.«
Víkingur hatte nichts dagegen, die Heimreise früher
anzutreten als geplant. Der freie Tag mit Þórhildur,
auf den er sich gefreut hatte, war ohnehin im Eimer.
»Hör zu«, sagte er. »Lass bitte jemanden
herausfinden, ob wir nachher eine Verbindung nach Kopenhagen
bekommen und von da aus mit der Abendmaschine nach Hause fliegen
können. Dann könnte ich möglicherweise irgendwann
zwischen eins und zwei heute Nacht zu euch
stoßen.«
»Das klingt gut«, sagte Randver. »Ich rufe dich
wieder an, sobald die Ticketfrage geklärt ist. Soll ich euch
dann am Flughafen in Empfang nehmen, sodass ihr direkt
hierherkommen könnt, ohne zuerst nach Hause zu
müssen?«
»Nein, nein«, antwortete Víkingur. »Nicht
nötig, uns abzuholen. Ich habe mein Auto am Flughafen stehen
und muss zuerst Þórhildur nach Hause bringen, bevor
ich zu euch runterfahre.«
»Warum kommt sie nicht mit?«
»Also, das ist so
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