Hoellenfeuer
treten, so erklärt das noch nicht, warum er uns diese Fähigkeit zur Fortpflanzung gegeben hat. Warum erschafft er unsere Körper nicht selbst, so wie er es mit euch Engeln getan hat? Es erklärt auch nicht, warum ihr Engel offenbar ebenfalls in der Lage seid, mit Menschenfrauen Kinder hervorzubringen, wenn eure Körper doch eigentlich gar nicht für die Fortpflanzung bestimmt sind.“
Raphael stutzte. „Ich… ich weiß es nicht “, gab er schließlich zu. „Vielleicht... vielleicht verfolgt er damit einen Plan, den wir nicht zu durchschauen vermögen.“
Eleanor nickte nachdenklich. Ihr Blick glitt über den kleinen See, an dessen Ufer sie stehen geblieben waren.
„Entwicklung“, flüsterte sie. „Gott gibt Verantwortung ab. Er lässt den Dingen ihren Lauf und beobachtet. Hin und wieder greift er ein, wenn die Dinge einen falschen Verlauf zu nehmen drohen. Dann schickt er einen Engel oder einen Propheten. Aber eigentlich sieht er nur zu...“
Diese Worte hatte Eleanor wie in Gedanken zu sich selbst gesprochen. Doch Raphael hatte sie nur allzu genau verfolgt. „Warum sollte er das tun?“, fragte er zweifelnd. „Warum sollte er den Zufall auf die Entwicklung des Menschen Einfluss nehmen lassen? Er ist allmächtig, Eleanor. Und glaub mir, in diesem Punkt weiß ich, was ich sage. Er hat den Zufall nicht nötig.“
Eleanor hob die Schultern. „Ich habe keine Ahnung. Ich habe ja auch nur laut gedacht. Du hast oft genug betont, dass Gott deshalb nicht auf der Erde weilt, um den Menschen ihr Bekenntnis zum Guten nicht allzu leicht zu machen. Gerade darum hat er ja zudem auch noch euch gefallene Engel auf die Erde entsandt. Ich denke mir, dass er auch den menschlichen Schöpfungsprozess aus genau diesem Grund aus der Hand gegeben hat. Nicht den der Seele, aber den des Körpers zweifellos. Ich zweifle nicht daran, dass Gott allmächtig ist und aus genau diesem Grund denke ich, dass er es ganz bewusst so macht.“
„Ich begreife noch immer nicht, warum er sich so entschieden haben mag “, grübelte Raphael.
Eleanor seufzte. „Ich auch nicht. Ich nehme an, dass Gott den Grund dafür entweder für sich behält, oder i hn erst zu einem bestimmten Zeitpunkt offenbaren will.“
Raphael blickte Eleanor fasziniert an. „Naral hatte Recht mit ihrer Einschätzung “, stellte er fest. „Ihr Menschen wollt den Dingen auf den Grund gehen. Mit Mysterien gebt ihr euch nicht zufrieden.“
Eleanor blickte zu ihm auf. „Nein, niemals!“, grinste sie.
Langsam schlenderten die beiden durch den Park zurück zum Haupthaus. Ein leichter Regen hatte wieder eingesetzt und machte den Aufenthalt im Freien ungemütlich. Die Zeit war schneller verflogen, als Eleanor es zunächst wahrgenommen hatte und nun ging es bereits wieder aufs Mittagessen zu.
„Kommst du mit zum Essen?“, fragte Eleanor, während sie sich dem Parkeingang des Hauses näherten.
Raphael war gerade im Begriff zu antworten, als eine Stimme Eleanors Namen rief. Die beiden wandten sich um und sahen Bess von einem der Seitenwege auf sich zukommen. Sie sah ziemlich durchnässt aus, doch sie lachte die beiden an, während sie auf sie zulief.
„Hab ich euch endlich “, grinste sie entrüstet, als sie vor den beiden stehenblieb. „Man hat mir gesagt, dass ihr zwei wohl im Park unterwegs seid, aber euch zu finden war nicht so leicht.“
„Bist du gestern gut nach Hause gekommen?“, fragte Eleanor.
Bess nickte. „Kunststück. Ich bin ja direkt vor der Tür abgesetzt worden“, lachte sie. „Ihr seht aus, als wolltet ihr zum Essen gehen. Darf ich mich euch anschließen, oder wäre ich das fünfte Rad am Wagen?“
Eleanor zuckte förmlich zusammen bei diesen Worten. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie in einer Situation, in der ein anderes Mädchen den Eindruck hatte, zwischen ihr und einem Jungen zu stehen. Erst jetzt bemerkte Eleanor, dass sie gern mit Raphael zusammen war. Und sie war gern mit ihm allein. Sie mochte Bess wirklich gern aber sie war sich keineswegs sicher, ob sie Bess gern in Raphaels Nähe sah.
Auch Raphael hatte zunächst gezögert, doch er unterbrach Eleanors Gedanken, indem er schließlich nickte.
„Ja, lasst uns zu dritt essen gehen“, sagte er und lächelte Bess freundlich an. Ein Stich ging Eleanor durchs Herz, aber auch sie nickte und zwang sich zu einem Lächeln.
„Ich bin Raphael “, stellte Raphael sich vor, indem er Bess die Hand gab.
„Ich bin Bess“, erwiderte Bess und lächelte Raphael zuckersüß an. Dann
Weitere Kostenlose Bücher