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Hoellenfeuer

Hoellenfeuer

Titel: Hoellenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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betraten sie gemeinsam das Haupthaus und ließen den Regen endgültig hinter sich zurück.
    Schon von weitem hörten sie die Geräusche des großen Speisesaals, aus dem das Klirren und Klappern von Besteck und Tellern zu vernehmen war. Stimmen gingen durcheinander und über allem schwebte der Geruch des Essens, welcher ihnen schon vor der Tür des Saals entgegenkam.
    „Fisch!“, stöhnte Bess. „Heute gibt’s Fisch. Nicht mein Tag, aber der Hunger wird’s wohl reintreiben.“
    „Was könnte es Besseres geben als Fisch?“, feixte Raphael und ließ den Mädchen den Vortritt in den Saal. Sie hatten heute die Hauptbesuchszeit erwischt und der Saal war voll von Menschen, die durcheinander redeten und dem Raum eine unruhige Atmosphäre gaben. Allein hätte Eleanor sich nie überwinden können, jetzt hierher zu kommen. Zwischen Raphael und Bess ging sie mit zusammengezogenen Schultern einher und bemühte sich, sowenig Blickkontakt wie möglich zu den Menschen in ihrer Umgebung aufzubauen.
    Bess hatte derweil schon einen leeren Tisch am Fenster erspäht und nachdem sie ihre gefüllten Teller abgeholt hatten, schoben sich die drei zwischen den vollen Stühlen und Tischen hindurch zur Fensterwand.
    „Geschafft!“, strahlte Bess. Dann begann sie, eifrig Fisch und Kartoffeln in sich hinein zuschaufeln. Ihre kurzfristige Aversion gegen Fisch schien der Vergangenheit anzugehören.
    „Du hast Stratton Hall wirklich in Erstaunen versetzt“, wandte sie sich zwischendurch an Raphael. „Du hast vermutlich keine Ahnung, wie die Gerüchteküche am Brodeln ist. Alle wollen wissen, wer du bist und warum du so viele Jahre so vor dich hinvegetiert hast.“
    „Ich fürchte, da kann ich euch nicht viel helfen “, antwortete Raphael ausweichend, während er sich scheinbar in sein Essen vertiefte. Vermutlich war Eleanor die Einzige im Saal, die wusste, dass er nicht wirklich aß, sondern dass Essen auf andere Weise verschwinden ließ. Eleanor nahm sich vor, ihn genauer dabei zu beobachten. Tatsächlich gab er unablässig vor zu kauen, doch wenn man genauer hinsah, bemerkte man, dass er die Gabel eigentlich nie zum Munde führte. Dennoch nahm der Essensberg auf seinem Teller kontinuierlich ab. Eleanor musste lächeln.
    „Ich hab e keine Ahnung, wie ich hierhergekommen bin“, fuhr Raphael fort. „Außer meinem Namen weiß ich nichts über mich.“
    „Faszinierend “, strahlte Bess ihn an.
    Langsam aber sicher fühlte eher Eleanor sich wie das fünfte Rad am Wagen. Raphael schien das bemerkt zu haben, denn plötzlich blickte er sie freundlich an und sagte: „Zumindest habe ich seit dem ersten wachen Augenblick in Stratton Hall Eleanor an meiner Seite gehabt. Da fällt es mir ein wenig leichter, ins Leben zurückzufinden.“
    Eleanor durchfuhr ein warmer Schauer. Sie blickte Raphael sprachlos an, dann flackerte ihr Blick und sie senkte ihn.
    Bess blickte zwischen den beiden hin und her. Langsam stahl sich ein verstehendes Lächeln auf ihre Lippen. „Ich verstehe“, sagte sie. „Ich glaube, ich hätte mich euch beiden doch nicht anschließen sollen.“
    Bess machte Anstalten sich zu erheben, doch sowohl Eleanor, als auch Raphael griffen ein und hielten sie am Platz fest.
    „Nein, es ist nicht so, wie du denkst“, begann Eleanor.
    Raphael hingegen, dem erst jetzt bewusst wurde, dass Bess zweifellos eine menschliche Beziehung zwischen ihm und Eleanor annehmen musste, verstand nicht, warum hier irgendwelche Peinlichkeiten aufkommen könnten.
    „Eleanor ist meine einzige Freundin hier“, warf er völlig unbekümmert ein. „Aber ich wüsste nicht, warum du deswegen gehen solltest.“
    Bess blickte Raphael verwirrt an.
    „Wie sind nicht zusammen “, druckste Eleanor peinlich berührt herum, ohne Bess dabei in die Augen sehen zu können. „Wir sind nur befreundet.“
    Einen Augenblick lang blickte Bess ihre Freundin fragend an. Dann ließ sie sich langsam wieder auf den Stuhl zurücksinken und sagte langsam: „Ich verstehe.“
    Ihr Blick glitt noch einmal über den arglosen Raphael und dann zurück zu Eleanor, die endlich den Blick hob und sich zwang, Bess beinahe trotzig in die Augen zu sehen. Kein Zweifel, Bess hatte verstanden. Sie hatte gehört, dass zwischen den beiden keine Liebesbeziehung bestand. Aber Eleanors Reaktion hatte ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass sie es sich anders gewünscht hätte.

Die Verdammten
     
    Die Nacht hatte sich auf Stratton Hall herabgesenkt. Eleanor lag noch wach und horchte auf

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