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Hoellenflirt

Hoellenflirt

Titel: Hoellenflirt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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hatte keinen Hunger, konnte mich nicht konzentrieren. Nachts starrte ich ins Dunkle und stellte mir vor, er läge neben mir. Sagte mir tausendmal, dass Valle ziemlich verrückt war, dass er sich nicht für mich interessierte und es also völlig sinnlos sei, an ihn zu denken.
    Ich war so neben der Spur, dass Kati es nicht mehr aushielt und mich schließlich dazu brachte, ihr von Valle zu erzählen.
    Und dann wurde mir wieder klar, warum sie die beste Schwester der Welt ist. Ihr einziger Kommentar war nämlich der: »Wir müssen den Blödmann finden, damit du wieder glücklich wirst.« Und dann überlegten wir gemeinsam, wie wir das schaffen könnten, und allein das war schon eine große Hilfe. Endlich hatte ich das Gefühl, ich würde aktiv werden. Etwas tun!
    Leider fanden wir nichts über ihn heraus, gar nichts. Ich dachte wirklich, ich müsste vor lauter Sehnsucht sterben. Bis dann bei unserem Konzert am fünften Oktober ein Wunder geschah: Er tauchte auf.
    Es war ein bescheuertes Erntedankkonzert im Pfarrsaal der St.-Angela-Kirche in Schwabing. Robert hatte das an Land gezogen, weil er den Pfarrer noch aus der Anfangszeit der Grunks kannte. Damals hatten sie im Keller der Kirche einen Probenraum. Trotzdem hatten wir uns in der Band darüber gestritten, ob wir bei so etwas Spießigem überhaupt auftreten wollten, aber das war nur pro forma, denn es gab tatsächlich Honorar, also richtig Kohle für alle.
    Im Gegensatz zu den anderen hatte ich noch einen ganz anderen Grund, warum ich nicht dort spielen wollte. Schwallfis Kanzlei war direkt neben der Kirche und ich hatte Angst, dass er mit seiner kompletten Belegschaft beim Konzert auftauchen und »Stimmung« machen würde.
    Ich war also total aufgeregt und nervös, weil ich ständig nach Schwallfi Ausschau hielt. Und vielleicht entdeckte ich Valle nur deshalb so früh. Es war mitten im zweiten Song, »Der Besieger der Dunkelheit«, mitten in meinem Lyrik-Part: »Glück kennt nur der Sieger
    Der Besieger der Dunkelheit
    Friss oder stirb
    Friss oder stirb.«
    Valle fixierte mich mit einem freundlichen Grinsen, trotzdem musste ich zweimal hinschauen, hatte Angst, er wäre eine Halluzination, aber dann hob er die Hand und winkte mir mit einem Victoryzeichen zu.
    Er war es. Definitiv.
    Die Bühne unter meinen Füßen wurde zu einer schwabbeligen Luftmatratze, auf der ich unsicher hin und her schwankte, oh Gott, er sah noch viel besser aus als in meiner Erinnerung.
    Robert musste sein Schlagzeugintro wiederholen, weil ich nach dem ersten »Friss oder stirb« keinen Ton mehr rausbrachte.
    Warum war er hier?
    Ganz sicher nicht, weil er Erntedank feiern wollte.
    Nachdem der erste Schock vorbei war, fand ich wieder in den Song und jetzt sang ich viel besser, so kam es mir zumindest vor, besser als sonst. Dabei überlegte ich die ganze Zeit verzweifelt, wie ich verhindern konnte, dass Valle wieder abhaute, ohne mit mir geredet zu haben.
    Völlig unnötig, denn er wartete.
    »Na?«, sagte er und war so nahe, dass ich ihn riechen konnte. Stark, er roch einfach nur stark, wie jemand, der weiß, was er will, und tut, was er sagt, oder wie jemand, der keine Angst hat.
    »Wie na?« Sicherheitshalber blieb ich auf Distanz. Ich fand seine Begrüßung ein bisschen lieblos – vor allem nach seinem Abgang vom letzten Mal.
    »Hattest du Zeit, darüber nachzudenken?«
    »Worüber denn?«
    Er verdrehte seine Augen.
    »Über Gott.«
    »Über dich also?«
    Er nickte und forderte mich mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen. »Oder wolltest du noch länger hierbleiben?« Seine Augen glitten über den herbstlich geschmückten Pfarrsaal, dabei zog er seine Augenbrauen spöttisch nach oben.
    »Moment noch.« Ich ging zurück zur Bühne und verabschiedete mich von den Jungs. Alle erwiderten mein »Tschüss«, nur Robert tat so, als würde ihn der Abbau seines Schlagzeugs voll in Anspruch nehmen, und blieb stumm.
    Draußen vor der Kirche war es dunkel und für Oktober extrem mild. Der Mond war nicht zu sehen, Wolkenfetzen verdeckten die Sterne.
    »Lass uns spazieren gehen.«
    Wenn man alle Gedanken hätte sehen können, die durch meinen Kopf rasten, hätte ich aussehen müssen wie das Oktoberfest samstagabends von oben: Tausend Lichter blinken, blitzen, alles dreht sich in bunten Kreisen hoch und runter, Stimmen raunen und rauschen...
    Eine davon schien zu sagen, dass er mit mir spazieren gehen wollte, um mich zu küssen, eine andere warnte, er sei ein Idiot. Wieder eine andere ermahnte mich,

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