Hoellenflirt
Mundwinkel zuckt es.
Der nette Blonde zuckt mit den Schultern. »Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen. Können wir dann vielleicht mit diesem Bruder sprechen?«, fragt er.
»Nein, der ist tot. Das ist es ja.«
»Ja«, sagt der andere. »Klar, das ist alles sehr, sehr fürchterlich. Darf ich mal?«
Dann zieht er mir vorsichtig meine Lederjacke aus, ich schäme mich fürchterlich, nur im BH vor den beiden zu sitzen, auch wenn es Sanitäter sind. Doch mein Busen interessiert sie gar nicht, sondern nur meine Arme und dann wird es mir klar: Die denken nicht, dass ich verrückt bin, sondern die glauben, ich wäre drogensüchtig.
»Ich bin nicht verrückt und nehme auch keine Drogen. Bit te rufen Sie einfach meine Mutter an.« Mir fällt nichts anderes mehr ein. Ich hasse mich für diesen weinerlichen Ton, aber ich kann nicht mehr, ich bin am Ende. Ich zittere am ganzen Körper, mir ist wahnsinnig kalt. Flüchtig denke ich daran, dass Schwallfis Kanzlei gleich nebenan ist, aber nein, wenn ich gerade eine Person nicht ertragen kann, dann ist es Schwallfi!
»Hast du einen Ausweis dabei?«, fragt der Blonde schon wieder in diesem sanften Tonfall, der mich wahnsinnig macht.
Während ich nach meiner Jacke greife und in den Taschen wühle, frage ich mich, was mit Valle ist. Wo haben sie ihn nur so schnell hingebracht? Allein die Vorstellung, dass Giltine und Thor und ihre Glaubensbrüder wirklich in der Nähe waren, macht mich ganz krank.
Immerhin, ein Trost bleibt mir: Ich bin ihnen entkommen und kann alles tun, um Valle zu retten.
Während ich meinen MVV-Schülerausweis hervorziehe, unterhalten sich die beiden flüsternd. Sie überlegen, ob sie mich in die Nussbaumstraße zur Beobachtung bringen sollen oder nach Hause. Der Blonde ist für zu Hause, der andere für die Nussbaumstraße. Ich glaube, dort ist die Psychiatrie.
Schnell reiche ich dem Blonden meinen Ausweis. »Bitte«, sage ich, »was ich erzählt habe, stimmt wirklich.«
»Siehst du«, sagt der andere zum Blonden.
Aha. Wenn man auf seiner Geschichte beharrt, scheint das ein Zeichen dafür zu sein, dass man besonders durchgeknallt ist.
Der Blonde wirkt verunsichert.
Ich überlege, was ich sagen könnte, um mich irgendwie aus der Affäre zu ziehen. Räuspere mich schon mal laut. Hauptsache, die Sanitäter hören auf, sich da reinzusteigern.
»Also, es tut mir wahnsinnig leid, dass Sie umsonst gekommen sind. Wahrscheinlich habe ich mir das Ganze nur eingebildet. Wissen Sie, ich bin die Treppe hinuntergefallen...«
»Was hattest du denn dort unten überhaupt zu suchen?«, fragt der Blonde.
»Ich, ich...ähm...ich weiß es nicht mehr. Irgendwie kann ich mich an nichts erinnern. Nur als ich unten am Treppenabsatz lag, kam es mir so vor, als ob dort ein Mensch liegen würde, verletzt. Er wimmerte, glaube ich. Und weil mir so schwindelig war und ich solche Angst hatte, habe ich das nicht überprüft und dachte, ich sollte lieber gleich einen Krankenwagen rufen.«
Schon besser! Der Blonde lächelt.
»Und was ist mit der satanischen Bruderschaft, die hier ihre Messen abhält, und den Brüdern, die nicht da sind?«, fragt der andere.
Mist, wie komme ich aus dieser Nummer bloß wieder raus? »Verrückt, oder?« Ich versuche ein Grinsen. »Ich weiß nicht genau, was ich da eben für Zeug erzählt habe. Könnte es sein, dass das Folgen des Sturzes sind?«, frage ich und hoffe, ich klinge einigermaßen normal. »So etwas wie eine Halluzination?«
Der Blonde schüttelt den Kopf. »Eine Halluzination? Und deine Klamotten? Was ist damit?«
»Komisch«, sage ich und schaue sie offen an. »Daran erinnere ich mich auch nicht mehr.«
»Partieller Gedächtnisschwund«, sagt der Blonde und wirkt sehr erleichtert.
»Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen«, wendet der andere ein. »Vermutlich eine Gehirnerschütterung.«
»Ja, mir ist auch ein bisschen schlecht.«
Das ist noch nicht mal gelogen. Mir ist übel vor Erleichte
rung. Krankenhaus ist besser als Psychiatrie. Der Blonde setzt sich ans Steuer und startet den Motor. Und ich schließe meine Augen und überlege, was ich jetzt
nur machen soll.
1 6
»Trotzdem haben wir zu spät gemerkt, dass der Elende noch einen Brief an seinen Bruder rausgeschmuggelt hat, aber das war auch sein letzter. Denn dann hat Satan seine Kraft so herrlich entfaltet, dass selbst der hartnäckigste Zweifler von seiner und damit meiner Macht überzeugt war.«
D as Röntgenbild zeigt natürlich, dass mein Hirn in bester
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