Hoellenflirt
würden uns über Reiseziele auf Mallorca unterhalten.
»Wenn du mich losmachst, dann denk ich darüber nach.«
»Liebe Toni, du wirst hierbleiben, bis mir klar geworden ist, wie wir dich am besten entsorgen.«
»Entsorgen? Wie soll das gehen? Erschießen? Erstechen? Oder vielleicht doch verbrennen?« Ich bin mittlerweile so fertig, fühle mich so leer, dass ich weder Angst noch Wut in mir spüren kann.
»Toni – immer einen guten Spruch auf den Lippen! Glaub mir, das werde ich vermissen! Deine Schwester ist nicht mal halb so amüsant.«
»Kati weiß, dass wir zusammen waren. Man wird dich verhören! Die Polizei ist ja nicht blöd.«
»Du unterschätzt mich immer noch. Töten«, er schüttelt den Kopf, »das lasse ich nur in Ausnahmefällen zu. Letztlich bleiben immer die Scherereien mit der Leiche. Ich denke da mehr an einen Sturz vom Glockenturm der St.-Angela-Kirche. Vorübergehende Verwirrtheit unter reichlich Alkoholeinfluss. Wirklich traurig, wie erschreckend hoch die Selbstmordraten unter Jugendlichen sind.«
Ich zerre an den Handschellen, sie ist teuflisch, diese Fesselmethode, man kann nichts tun, obwohl man die Hände vorm Körper hat.
»Und Valle? Was machst du mit dem?«
»Jeder, der sich an meinem Eigentum vergreift, muss bestraft werden. Außerdem hat er versucht, uns zu erpressen. Deshalb ist Valle mein Geschenk an Luzifer – heute Abend.«
»Du klingst wie ein völlig durchgeknallter, kranker Vollidiot.«
»Nein, falsch, Toni. So klingen Sieger. Menschen, die handeln, die ihre Entschlüsse leben, ohne vor Angst herumzusabbern. Es gibt genügend, die gern mit mir tauschen würden, aber denen fehlt etwas ganz Entscheidendes: der Mut!« Er springt auf. »Genug geplaudert jetzt. Ich habe noch etwas Dringendes zu erledigen. Du bleibst schön sitzen, mach’s dir gemütlich.« Er gluckst vor sich hin. »Ich hoffe nur, dass du nicht aufs Klo musst und hier eine Schweinerei machst.« Er räuspert sich, klingt immer noch sehr amüsiert. »Aber ich denke, du warst ja vorhin bei Valle lange genug im Bad.«
Während er redet, geht er zu seinem Regal. Er schiebt ein paar Bücher zur Seite, schaut über seine Schulter zu mir her, begegnet meinem Blick. Spöttisch zieht er eine Augenbraue hoch, als wollte er sagen: »Schau nur her, du wirst sowieso niemandem mehr davon erzählen, ist also egal.«
Dann zieht er aus der Hosentasche einen Schlüsselbund, schließt etwas auf und verstaut die DVDs und die Papiere. Danach zieht er sich Gummihandschuhe an, holt merkwürdige kleine Gegenstände, die von Weitem wie kleine runde Joghurts aussehen, aus dem Schrank und packt sie in einen Clipbeutel, den er sorgfältig verschließt. Die gebrauchten Gummihandschuhe wirft er in den Müll, zieht anschließend neue aus dem Schrank und stopft sie in seine Hosentasche.
Ja, denke ich, und jetzt gehst du weg und vergisst den Combinations-Schlüssel auf dem Tisch. Ich halte die Luft an, als könnte ich damit irgendetwas bewirken. Bitte, bitte, mach, dass er den Schlüssel vergisst.
Er dreht sich um und grinst mich an. »Bei dir gehe ich kein Risiko ein. Immerhin bist du Thor und Giltine entkommen.«
Er nimmt den Schlüssel, wedelt einmal kurz vor meinen Augen damit hin und her und schließt ihn ebenfalls ein. Dann räumt er die Bücher wieder ins Regal und ich versuche, mir zu merken, welche Bücher es sind; irgendetwas über Mozart, dritte Reihe von oben.
Er verlässt das Wohnzimmer und ich höre nur noch, wie sich seine Schritte entfernen, dann klappt eine Tür, die von außen abgeschlossen wird. Er ist weg.
Und plötzlich kehrt alle Energie mit einem Schlag in meinen Körper zurück.
Ich werde nicht sterben.
Und Valle wird nicht sterben!
Durch meinen Bauch tobt eine Wut, wie ich sie noch nie erlebt habe. Ich zerre an den Schellen, haue damit gegen die Chrombeine des Couchtisches, aber es tut bloß schrecklich weh und bringt nichts.
Noch immer habe ich meine Lederjacke an, aber leider hat Robert mir das Handy weggenommen. Er schickt Kati garantiert noch eine erklärende SMS – in meinem Namen selbstverständlich – und sie wird die Polizei natürlich nicht rufen. Valle wird doch sterben, ich werde vom Kirchturm fallen und Robert wird weiter in der Band spielen und unschuldigen Kids Schlagzeugunterricht erteilen...
NEIN!
Aber ich bin nicht James Bond, nicht mal das Bond-Girl, ich habe keine Wunderwaffen, nur mich selbst. Ich versuche aufzustehen. Mist, die Gürtelschnalle bohrt sich tiefer in meinen Bauch.
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