Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höllenflut

Höllenflut

Titel: Höllenflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
Vom Netzwerk:
sprechen,
lesen und schreiben konnte. Lin Wan Chu indessen, die in der
Provinz Jiangsu aufgewachsen war, sprach den NankingDialekt, eine andere Spielart des Mandarin. Glücklicherweise
gab es so viele Ähnlichkeiten, daß Julia sich einigermaßen
durchmogeln konnte. Aber wenn sie am Herd stand, senkte sie
trotzdem den Kopf und blickte vorsichtshalber weg, sobald
jemand in ihre Nähe kam.
    Ihre beiden Gehilfen, der zweite Koch und der Mann, der das
Geschirr abspülte und die Kombüse sauber hielt, schöpften
offenbar keinen Verdacht. Sie gingen Ihrer Arbeit nach,
klatschten und tratschten nicht und sprachen sie nur an, wenn sie
Fragen zum Abendessen hatten. Einmal hatte Julia den
Eindruck, als ob der Bäcker sie mit einem eigenartigen
Gesichtsausdruck musterte, doch als sie ihn anherrschte, er solle
sie nicht so anglotzen und sich lieber um seine gebackenen
Wan-Tans kümmern, lachte er, machte eine anzügliche
Bemerkung und widmete sich wieder seiner Aufgabe.
    Julia schwitzte wie in ihrem ganzen Leben noch nicht. Durch
die Hitze, die von den Herden, den Kochtöpfen und den Woks
aufstieg, herrschte in der Kombüse binnen kürzester Zeit eine
Luft wie in einem türkischen Dampfbad. Sie trank ein Glas
Wasser nach dem anderen, nur um ihren Flüssigkeitsbedarf zu
decken. Und sie sprach ein kurzes Dankgebet, als der zweite
Koch ihr zuvorkam und die Brunnenkressesuppe und das
geschnetzelte Huhn mit Sojasprossen zubereitete. Julia
wiederum hielt sich beim Schweinebraten mit Nudeln und dem
gebratenen Eierreis mit Krabben ganz achtbar.
    Kapitän Li Hungtschang kam kurz in die Küche und gönnte
sich ein paar Sesamgebäckstücke, sobald die Sung Lien Star am
Kai von Sungari vertäut war. Er blickte Julia offen an, aber
allem Anschein nach meinte er, Lin Wan Chu vor sich zu haben.
Dann kehrte er zur Brücke zurück und empfing die Vertreter
von Zoll und Einwanderungsbehörde.
    Julia mischte sich unter die anderen Besatzungsmitglieder, als
alle an Deck antraten und dem Vertreter der
Einwanderungsbehörde ihre Pässe reichten. Normalerweise
legte der Kapitän die Papiere seiner Besatzungsmitglieder vor,
damit die unterdessen ihrer Arbeit nachgehen konnten, aber
wenn Schiffe der Qin Shang Maritime Limited den Hafen
anliefen, ließ der INS besondere Strenge walten. Der Beamte
studierte Lin Wan Chus Paß, den Julia in der Kabine der Köchin
gefunden hatte, betrachtete aber nicht ihr Gesicht;, Das läuft ja
alles wie geschmiert und sehr professionell, dachte sie. Denn
jeder falsche Blick, jedes noch so unauffällige Zeichen, daß er
sie erkannte, hätte verräterisch sein können.
    Sobald die Einreiseformalitäten erledigt waren, kam die
Besatzung zum Abendessen nach unten. Die Kombüse lag
zwischen der Offiziers- und der Mannschaftsmesse. Als
Chefköchin bediente Julia die Offiziere des Schiffes, während
ihre Helfer das Essen an die Matrosen verteilten. Sie wollte sich
unbedingt auf dem Schiff umsehen, aber solange die Besatzung
zu Tisch saß, mußte sie ihre Rolle spielen.
    Schweigend verrichtete Julia ihre Arbeit, während die anderen
aßen, wuselte in der Kombüse herum und warf gelegentlich dem
einen oder anderen Besatzungsmitglied ein strahlendes Lächeln
zu, wenn sie ihr Essen lobten und um einem Nachschlag baten.
Sie benahm sich nicht nur wie Lin Wan Chu - für jedermann an
Bord war sie Lin Wan Chu. Niemand musterte sie mit
forschendem Blick, keiner wirkte argwöhnisch. Nicht einem
fielen die kaum wahrnehmbaren Unterschiede im Verhalten, im
Auftreten und in der Sprache auf. Für sie war sie die
Schiffsköchin, die seit der Nacht, da die Sung Lien Star von
Qingdao aus in See gestochen war, für sie das Essen zubereitete.
    Zug um Zug ging sie in Gedanken noch einmal ihren Auftrag
durch. Bislang war alles glattgegangen. Und dennoch hatte die
Sache einen schweren Haken. Wenn tatsächlich dreihundert
Illegale an Bord des Schiffes waren - wie wurden die verpflegt?
Jedenfalls nicht von dieser Küche. Aus Lin Wan Chus Rezepten
und den Eintragungen in den Küchenbüchern ging eindeutig
hervor, daß sie nur für die dreißig Besatzungsmitglieder kochte.
Und auch die in den Vorratsräumen und Kühlkammern
gelagerten Nahrungsmittel waren von der Menge her genau auf
den Bedarf der Mannschaft zugeschnitten. Allmählich fragte sie
sich, ob Peter Harpers CIA-Informant in Qingdao sich nicht
vielleicht geirrt und die Schiffsnamen verwechselt hatte.
    Ruhig saß sie in Lin Wan Chus kleinem Büro

Weitere Kostenlose Bücher