Höllenflut
Einwanderungsbehörde. Seit einigen Monaten werden meine
Schiffe ständig aufgehalten und durchsucht, was natürlich die
Ankunft verzögert und zu entsprechenden Verlusten führt.«
»Bei allem Verständnis, Qin Shang«, versetzte Wallace, »aber
nach neuesten Schätzungen der INS leben in diesem Land etwa
sechs Millionen illegale Einwanderer. Ein Gutteil davon, so
behauptet jedenfalls unsere Einwanderungsbehörde, wurde von
Ihren Schiffen ins Inland geschleust. Und diese ungeheuerlichen
Vorgänge droben am Orion Lake waren alles andere als leicht
zu vertuschen. Von Rechts wegen müßte ich Sie auf der Stelle
festnehmen und wegen Massenmordes vor Gericht stellen
lassen.«
Qin Shang reagierte keineswegs beleidigt. Ungerührt blickte
er den mächtigsten Mann der Welt an. »Ja, von Rechts wegen
könnten Sie das durchaus tun. Aber dann laufen Sie Gefahr, daß
gewisse vertrauliche Einzelheiten über Ihre Geschäfte mit der
Qin Shang Maritime Limited und der Volksrepublik China an
die Öffentlichkeit dringen.«
»Wollen Sie dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von
Amerika etwa mit Erpressung drohen?« versetzte Wallace
ungehalten.
»Bitte vergeben Säe mir«, erwiderte Qin Shang devot. »Ich
wollte den Präsidenten lediglich auf alle Eventualitäten
hinweisen.«
»Ich dulde keinen Massenmord.«
»Ein unglücklicher Zwischenfall, für den einzig und allein die
in Ihrem Lande ansässigen Syndikate verantwortlich sind.«
»In meinem Bericht stand etwas anderes.«
»Ich versichere Ihnen, daß so etwas wie am Orion Lake nicht
mehr vorkommen wird.«;
»Und als Gegenleistung möchten Sie, daß wir Ihre Schiffe in
Ruhe lassen. Ist dem so?«
Qin Shang nickte. »Dafür wäre ich Ihnen sehr dankbar.«
Wallace wandte sich an Laird. »Teilen Sie Admiral Ferguson
und Duncan Monroe mit, daß sich die Küstenwache und der INS
bei der Überprüfung der Schiffe der Qin Shang Maritime
Limited an die gleichen Regeln halten sollen, die auch für
andere ausländische Reedereien gelten.«
Laird runzelte ungläubig die Stirn. Er saß schweigend da,
ohne die Anordnung des Präsidenten unverzüglich zu bestätigen,
wie es sonst seine Art war.
»Vielen Dank, Mr. President«, sagte Qin Shang höflich. »Ich
darf Ihnen auch im Namen meiner Geschäftsleitung versichern,
daß wir uns durch Ihre Freundschaft sehr geehrt fühlen.«
»So leicht kommen Sie mir nicht davon, Qin Shang«, sagte
Wallace. »Richten Sie Ministerpräsident Wu Kwong bitte aus,
daß ich nach wie vor besorgt bin über den Einsatz von
Zwangsarbeitern bei der Herstellung chinesischer Handelsgüter.
Wenn wir die beiderseitigen guten Beziehungen weiterhin
pflegen wollen, muß seine Regierung bereit sein, in den
staatlichen Betrieben anständig bezahlte Arbeiter zu
beschäftigen und von weiteren Menschenrechtsverletzungen
Abstand zu nehmen. Ansonsten sehe ich mich gezwungen, die
Ausfuhr von Kunstdünger nach China zu unterbinden.«
Morton Laird lächelte in sich hinein. Endlich hatte der
Präsident den richtigen Ton angeschlagen. Mit dem Verkauf von
Kunstdünger setzte eine chemische Fabrik in Texas - das
Tochterunternehmen eines weltweit aktiven Chemiekonzerns
mit Hauptsitz in Schanghai - über eine Milliarde Dollar im Jahr
um. Wallace hatte sich auf Anhieb die wichtigste Ware
herausgegriffen und es gleichzeitig vermieden, mit
Handelssanktionen gegen chinesische Exportgüter wie Textilien,
Schuhe, Spielsachen, Radios, Fernseher und andere Geräte der
Unterhaltungselektronik zu drohen, deren Gesamtwert sich
immerhin auf fünfzig Milliarden Dollar im Jahr belief.
Qin Shangs grüne Augen funkelten einen Moment lang
nervös. »Ich werde Ihren Rat an Ministerpräsident Wu Kwong
weitergeben.«
Wallace stand auf, ein Zeichen, daß das Gespräch beendet
war.
»Vielen Dank, Mr. President. Es war mir eine Ehre, mit Ihnen
zu sprechen.«
»Ich begleite Sie zum Empfangsraum«, sagte Laird
liebenswürdig. Als guter Diplomat wußte er seine Abscheu vor
dem Wirtschaftskriminellen geschickt zu verhehlen.
Ein paar Minuten später kehrte Laird ins Oval Office zurück.
Wallace saß am Schreibtisch und unterzeichnete einen Stapel
Gesetzesentwürfe, die ihm der Kongreß hatte zukommen lassen.
»Nun, Morton, Ihrer säuerlichen Miene habe ich entnommen,
daß Sie mit meiner Haltung nicht zufrieden waren.«
»Nein, Sir, keineswegs. Ich bin entsetzt, daß Sie mit diesem
Mörder überhaupt sprechen.«
»Er ist nicht der erste Höllenhund, der diesen Raum
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