Höllenflut
Umständen
nichts Besseres zu bewerkstelligen war, kehrte er ins Ruderhaus
zurück und wühlte herum, bis er das Gesuchte endlich fand. Er
lud die Leuchtfeuerpistole und legte sie vor sich hin. Erst dann
löste er das Messer und nahm das Ruder in die Hand.
Die Jacht und der Bootssteg waren jetzt nur noch zweihundert
Meter entfernt.
Durch den aufgerissenen Bug drang Wasser ein, überflutete
die vorderen Segmente des Doppelrumpfes und drückte sie nach
unten. Pitt schob die Gasregler bis zum Anschlag vor. Die
Schrauben wirbelten weißen Schaum auf, trieben das Boot an,
bis sich der Bug aus dem Wasser hob. Und dann nahm der so
plump aussehende Katamaran Fahrt auf - erst fünfzehn Knoten,
dann achtzehn, schließlich zwanzig. Größer und immer größer
ragte die Jacht vor Pitt auf, der das rüttelnde und vibrierende
Ruder mit aller Kraft festhalten mußte. Schließlich zog er das
Boot herum und richtete den Doppelrumpf genau auf die
Backbordseite der Jacht aus.
Pitt wartete, bis er nur mehr sechzig, fünfundsechzig Meter
entfernt war, stürmte dann aus dem Ruderhaus, sprang hinab
aufs Achterdeck, richtete die Signalpistole durch die offene
Luke des Maschinenraums auf die mit Treibstoff getränkten
Lappen und drückte ab. Er vertraute auf seine Zielsicherheit und
sprang bei voller Fahrt ins Wasser, wo er so heftig aufprallte,
daß ihm die Tarierweste vom Leib gerissen wurde.
Vier Sekunden später bohrte sich der Katamaran krachend
und splitternd in den Rumpf der Jacht. Im nächsten Moment
schoß eine Stichflamme in den Nachthimmel, und das schwarze
Boot, das so vielen Menschen den Tod gebracht hatte,
explodierte in einem grellen Feuerball. Unmittelbar darauf
züngelten die ersten Flammen aus den hölzernen Luken und
Pforten der Jacht. Pitt, der in Rückenlage auf Qin Shangs
Bootshaus am Ende des Anlegestegs zupaddelte, beobachtete
ungläubig, wie rasch die Jacht Feuer fing. Gebannt sah er zu,
wie der elegante offene Salon am Oberdeck lichterloh abbrannte
und mitsamt dem darunter liegenden Speisesaal in einem
sprühenden Funkenmeer zusammenkrachte, wie die Jacht
schließlich langsam, ganz langsam in einer zischenden
Dampfwolke im See versank, bis nur mehr der oberste Teil der
Radarantenne aus dem Wasser ragte.
Wie Pitt vorausgesehen hatte, dauerte es eine ganze Weile,
ehe die Wachmannschaften reagierten. Er war längst bei dem
Bootshaus angelangt, als er die Geländemaschinen hörte, die
vom Hauptgebäude aus in Richtung Anlegesteg rasten. Der hatte
mittlerweile ebenfalls Feuer gefangen und würde in Kürze in
hellen Flammen stehen. Im Schutz des Bootshauses tauchte er
ein weiteres Mal auf. Er hörte hallende Schritte aus dem
Verbindungsgang und schlug die Tür zu, sah aber nirgendwo ein
Schloß, daher rammte er sein Messer in den Rahmen und
blockierte sie damit.
Mit Jet-Skis kannte er sich aus, daher schwang er sich rittlings
auf das erstbeste Gefährt, betätigte den Anlasser und gab mit
dem Daumen langsam Gas, bis der Motor ansprang. Er spürte
den jähen Schub, als der Antrieb einsetzte, und raste dann mitten
durch die dünne Sperrholztür, die hinter ihm in tausend Stücke
zersplitterte, hinaus auf den See. Pitt fror, er war erschöpft, naß
bis auf die Knochen, er hatte einen Streifschuß an der Hüfte
davongetragen und vermutlich viel Blut verloren, aber er kam
sich vor, als hätte er gleichzeitig im Lotto und im Pferderennen
gewonnen und anschließend noch die Spielbank von Monte
Carlo gesprengt. Doch das Hochgefühl verflog, sobald er am
Steg vor seiner Hütte anlegte.
Mit einemmal wurde ihm klar, daß ihm das Schwerste erst
noch bevorstand.
9
Lo Han saß in seinem mobilen Kommandostand und starrte
wie benommen auf die Bildschirme, auf denen er mitverfolgen
konnte, wie der schwarze Katamaran plötzlich in weitem Bogen
über den See fuhr, auf die Jacht zuhielt und das herrliche Boot
mittschiffs rammte. Die anschließende Explosion war so heftig,
daß die Überwachungselektronik vorübergehend ausfiel, Lo Han
stürmte hinaus und rannte hinunter zum Seeufer, um sich die
Katastrophe aus der Nähe anzusehen.
Dafür wird jemand büßen müssen, dachte er, als er auf die
Jacht starrte, die soeben inmitten einer Rauchwolke im See
versank. Qin Shang war alles andere als nachsichtig. Vermutlich
wäre er überaus ungehalten, wenn er erfuhr, daß eine seiner vier
Jachten zerstört worden war. Lo Han überlegte bereits, wie er
dem dämlichen Chu Deng sämtliche Schuld in die
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