Hoellenglanz
nicht daran interessiert, zu unseren Ärzten zu gehen oder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Wir sind für sie so fremdartig wie sie für uns. Das bedeutet nicht, dass mit ihnen irgendwas nicht in Ordnung wäre. Sie sind einfach besser aufgehoben – und glücklicher –, wenn sie unter sich sind.«
Ich schüttelte den Kopf. »Derek ist glücklich, da, wo er ist.«
»Derek ist ein guter Junge, Chloe. War er schon immer. Verantwortungsbewusst, reif … Kit hat Scherze drüber gemacht, er hat gesagt, es gäbe Tage, an denen er lieber mit einem Dutzend Dereks zu tun hätte als mit einem Simon. Aber jetzt kommt der Wolf zum Vorschein, und es macht ihm zu schaffen. Ich habe immer zu Kit gesagt …« Er atmete tief aus und schüttelte den Kopf. »Was ich zu sagen versuche – ich weiß, dass Derek wie ein normaler Junge wirkt.«
Normal?
Ich hätte am liebsten gelacht. Ich glaube nicht, dass irgendwer Derek jemals mit einem normalen Jungen verwechselt hätte.
»Aber du darfst nicht vergessen, dass er anders ist. Du musst vorsichtig sein.«
Ich hatte es satt, mir anzuhören, wie gefährlich Derek war. Anders, ja, aber nicht mehr als ein Dutzend Jungen, die ich von der Schule her kannte. Typen, die sich von den anderen unterschieden, sich nicht verhielten wie sie, ihre eigenen Regeln befolgten. Er
konnte
fraglos gefährlich sein mit seinen übermenschlichen Kräften. Aber inwiefern sollte das schlimmer sein als bei Tori mit ihren unkontrollierbaren Formeln? Und Tori hatte mehrfach versucht, mir zu schaden – aber niemand außer den beiden Jungen hatte mich jemals vor ihr gewarnt.
Im Gegensatz zu Tori bemühte sich Derek darum, seine Kräfte in den Griff zu bekommen. Aber niemand schien es anzuerkennen. Sie sahen Derek gar nicht. Sie sahen nur den Werwolf.
[home]
9
N ach dem Frühstück tauchte Gwen zur Trainingsstunde auf, und Margaret sollte jeden Moment nachkommen. Simon und ich standen im Gang herum, als Gwen zu uns herauskam, das Handy in der Hand.
»Ist Tori bei euch?«, fragte sie.
»Ich glaube, sie liegt noch im Bett«, sagte ich. »Frühstück hat sie keins gewollt. Ich gehe sie …«
»Nein, schon okay. Das war ein Anruf von meinem Boss. Jemand hat sich krankgemeldet, und die brauchen mich als Vertretung. Sagt Tori, ich bin gegen vier zurück.« Sie wollte schon gehen, drehte sich dann aber noch einmal um und wandte sich an Simon. »Gestern, als Andrew gesagt hat, dass ich eine Hexe bin … du hast überrascht ausgesehen. Du konntest es also nicht sehen?«
»Äh, nein.«
»Cool. Sieht so aus, als ob der Teil der Modifikation funktioniert.«
»Hä?«
Sie lächelte und winkte uns ins Wohnzimmer, wo sie sich in einen gigantischen Sessel fallen ließ. Sie trat sich die Schuhe von den Füßen und zog die bestrumpften Füße auf den Sitz. Offensichtlich hatte sie es nicht eilig, arbeiten zu gehen.
»Ich sehe dir an, dass du ein Magier bist. Wortwörtlich – ich merk’s, wenn ich dich ansehe. Das ist eine ererbte Fähigkeit. Magier erkennen Hexen und umgekehrt. Andrew hat erzählt, dass das zu den Dingen gehört hat, die sie loswerden wollten, als sie mit euren Genen rumgespielt haben.«
»Warum denn das?«
»Politische Korrektheit, ins Extreme getrieben. Es heißt, Hexen und Magier hätten diese Fähigkeit zum Selbstschutz entwickelt.« Sie grinste. »Man wollte seine Feinde erkennen.«
»Feinde?«, fragte ich.
Sie sah Simon an. »Was hast du alles über Hexen gehört?«
»Äh, nicht so sehr viel.«
»Oh, sei doch nicht so höflich. Du hast sicherlich gehört, dass wir schwächliche Formelwirker sind, stimmt’s? Wir hören das Gleiche über die Magier. Alberne Rivalität, die bis auf die Inquisition zurückgeht. Beide Spezies sind gute Formelwirker, haben nur jeweils ihre eigenen Spezialgebiete. Jedenfalls, Andrew sagt, die Edison Group hatte sich damals in den Kopf gesetzt, wenn man diesen Radar abschaffen könnte, würden wir uns besser vertragen.«
Sie verdrehte die blauen Augen. »Ich persönlich glaube, es war ein Fehler. Dieses wechselseitige Erkennen ist evolutionstechnisch ausgesprochen nützlich, weil es versehentliche Kreuzungen verhindert.«
»Zwischen Hexen und Magiern?«, fragte ich.
»Genau. Das ist eine ziemlich unberechenbare Mischung, und …« Sie brach ab und errötete. »Genug geschwafelt. Die Arbeit ruft, so gern ich ihr Geschrei auch überhören würde.« Sie machte Anstalten aufzustehen, blieb dann aber sitzen. »Mögt ihr Pizza?«
»Natürlich.«
Sie fragte uns,
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