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Hoellenglanz

Hoellenglanz

Titel: Hoellenglanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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hinunter. Leer. Kein Blut. Kein Teppich.
    Als ich auf den leeren Fleck hinunterstarrte, fiel mir das tropfende Blut wieder ein. Es hatte kein Geräusch gemacht. Nur eine geisterhafte Erinnerung also, es war wie bei dem Mädchen auf dem Rasthof und dem Mann in der Fabrik. Fürchterliche Todesfälle, die wie Stummfilme in Endlosschleife liefen.
    Dann kann es dir also nichts tun, richtig?
    Nein, es konnte mir nichts tun. Es konnte mir Angst machen. Es konnte mich verstören. Es konnte sich mir auf ewig ins Gedächtnis brennen. Aber es konnte mich nicht körperlich verletzen.
    In der Sekunde, in der ich wieder ins Bett kroch, begann das Schluchzen von neuem. Dann kam etwas, das wie ein Lachen klang. Ich setzte mich auf, und im Zimmer wurde es still. Ich sah mich um. Wieder ein Geräusch, diesmal etwas, das halb ein Schluchzen und halb ein Lachen war.
    Es hätte das Echo der Sterbeszene sein können, aber in der Regel bekam ich bei denen keine Tonspur. Ich konnte mir durchaus vorstellen, dass dieser halbdämonische Junge hinter dem ganzen Szenario steckte. Wenn er mir mit seinen Poltergeisttricks nicht genug Angst machen konnte, dann würde eine grausige Sterbeszene vielleicht besser wirken. Ich wollte mich schon wieder hinlegen, hielt dann aber inne. Vorhin hatte Derek mich heruntergemacht, weil ich versucht hatte, die Dinge allein durchzustehen. Ich hatte mich von diesem Geist schon einmal zum Affen machen lassen, ein zweites Mal würde ich es nicht tun. Ich stieg also aus dem Bett und machte mich auf den Weg zum Zimmer der Jungen.
     
    Vor der Tür blieb ich stehen, sie stand einen Spaltweit offen. Ich konnte Simons Schnarchen hören. Derek war leise wie immer. Ich machte im Gang etwas Lärm, hustete und stampfte im Gehen auf. Ich kam mir vor wie ein Kind, das Steinchen ans Fenster eines Freundes wirft, damit er zum Spielen herunterkommt. Keine Reaktion.
    Ich stieß die Tür behutsam noch ein paar Zentimeter weiter auf und blieb wartend stehen. Zu den beiden ins Zimmer zu platzen, wenn sie schliefen … nichts, das ich freiwillig getan hätte, zumal ich wusste, dass Derek in seinen Boxershorts schlief.
    Ich hustete und scharrte noch etwas lauter. Als Derek immer noch nicht aufwachte, warf ich einen Blick ins Innere. Simon lag, in die Laken verwickelt, auf dem Bett, das der Tür am nächsten stand. Dereks Bett war leer.
    Ich überprüfte das Bad, aber die Tür stand offen, und der Raum dahinter war dunkel. Ich dachte an das Dach, aber nach den Erfahrungen des vergangenen Morgens sparte ich mir diese Option auf. Runter ins Erdgeschoss also. Erster Halt – die Küche selbstverständlich. Ich fand ein leeres Milchglas und einen Teller mit Krümeln, beides säuberlich ins Spülbecken gestellt.
    Während ich die Räume des Erdgeschosses abging, sah ich ständig den Gang entlang zur Hintertür. Er hatte gesagt, er würde mir Bescheid sagen, wenn er hinausging, um sich zu wandeln, oder? War er jetzt doch allein gegangen? Ein Stich der Enttäuschung ging durch mich hindurch.
    Und wenn er es nun getan hatte? Das war schließlich sein gutes Recht. Er brauchte meine Hilfe nicht. Nur hatte es ihm allem Anschein nach gefallen, dass ich da gewesen war, und mir wiederum hatte gefallen, dass ich imstande gewesen war, etwas für ihn zu tun.
    Ich ging zur Hintertür. Und richtig, sie war nicht abgeschlossen. Ich schluckte einen weiteren Stich der Enttäuschung hinunter und öffnete sie. Hinter dem Haus lag ein kleiner, ringsum von Wald umgebener Garten. Über den Bäumen ging gerade die Sonne auf. Ich trat ins Freie und sah mich um.
    »Derek?«, rief ich.
    Keine Antwort.
    Ich ging ein paar Schritte und rief dann etwas lauter. »Derek? Bist du irgendwo hier draußen?«
    Im Wald hörte ich einen Zweig brechen. Ich stellte mir Derek mitten in der Wandlung vor, außerstande zu antworten, und rannte auf den Waldrand zu. Das Geräusch brach ab, und ich blieb am Ende des Gartenwegs, der in den Wald hineinführte, stehen, spähte ins Dunkel und lauschte. Wieder ein Knacken. So etwas wie ein Stöhnen.
    »Derek? Ich bin’s.«
    Ich ging weiter. Nach wenigen Schritten war das Morgenlicht verschluckt, und Dunkelheit umgab mich.
    »Derek?«
    Ich fuhr zusammen, als er um eine Biegung des Pfades kam. Ich brauchte kein Tageslicht, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Ich brauchte sein Gesicht überhaupt nicht zu sehen, um zu wissen, dass ich Ärger bekommen würde – die Art, wie er die Schultern hielt, und die langen Schritte, mit denen er auf

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