Hoellenglanz
die Richtung des Bachufers. Es war hier mindestens fünf Meter hoch, und ich rief ihm eine Warnung zu, aber er blieb nicht stehen.
Ramon stürzte wieder vor, knurrend und mit gesträubtem Fell. Dann brachte ein Pfiff ihn zum Stehen. Liam. Ramon sah sich kurz um, warf den Kopf zurück und begann zu heulen. Derek sprang ihn an, und Ramon brach ab, um ihn abzuschütteln. Dann ging er weiter vorwärts, trieb Derek rückwärts auf …
»Derek! Der Steilhang!«
Dereks Blick zuckte zur Seite und fing meinen auf, aber er blieb nicht stehen, wich einfach weiter zurück, den Blick wieder auf Ramon gerichtet.
Im letzten Moment drehte Derek sich nach links, nahm Anlauf und erwischte Ramon an der verletzten Flanke und riss ihn von den Füßen. Ramon stieß vor Schmerz ein unirdisches Heulen aus und rappelte sich auf, den Steilhang hinter sich. Als Derek sich wieder auf ihn stürzte, wich er zurück. Erst im letzten Moment sah er den Abgrund unter seinen Füßen und versuchte auszuweichen, aber Derek rammte ihm den Kopf in die verletzte Seite, und der Stoß schleuderte Ramon über die Kante des Steilufers.
Ich kroch ins Freie und rannte zu Derek, der unmittelbar an der Kante stand und hinuntersah. Ramon war noch bei Bewusstsein und versuchte, auf die Beine zu kommen. Eine Vorderpfote war in einem hässlichen Winkel abgeknickt.
Der nächste Pfiff gellte. Derek drehte sich abrupt um, rammte meine Beine und stieß mich dann mit der Nase an, um mir mitzuteilen, dass ich mich in Bewegung setzen sollte.
»Ist es Liam?«, fragte ich.
Er senkte die Nase zu einem kurzen Nicken.
Ich vergeudete keine Zeit an die Frage, warum Liam seine Menschengestalt beibehalten hatte. Eine Bedrohung stellte er auch als Mensch dar. Der einzige Vorteil war, dass er in Menschengestalt unsere Fährte nicht so schnell finden würde.
»Das kam aus der Nähe des Hauses«, flüsterte ich im Rennen. »Wir sollten in Richtung Straße gehen. Weißt du, wo …«
Er antwortete, indem er an mir vorbeischoss. Wir rannten ein paar Minuten lang weiter, aber ich wurde immer langsamer. Irgendwann kam er zurückgerannt und übernahm die Position hinter mir.
»Tut mir leid«, flüsterte ich. »Ich sehe nichts und stolpere dauernd …«
Er schnitt mir mit einem Grunzen das Wort ab.
Ich weiß. Lauf einfach weiter.
Also übernahm ich die Führung, und Derek tippte mich in die Kniekehlen, wann immer ich vom Kurs abkam. Endlich sah ich Lichter zwischen den Bäumen erscheinen. Derek stieß mich auf sie zu, und dann …
»Einen ganz schönen Krach machst du da, Welpe.« Liams Stimme mit dem gedehnten texanischen Tonfall hallte durch den Wald.
Derek versetzte mir einen Stoß, der mich nach vorn schleuderte. Ich schlug hart auf dem Boden auf, mein Kinn scheuerte über die Erde, Dreck sprühte mir in den Mund. Ich versuchte aufzustehen, aber Derek stand über mir. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Zähne, um mich zu vergewissern, dass sie noch vollzählig waren.
Derek schnaufte und stupste mich im Nacken an, und ich beschloss, es als eine Entschuldigung aufzufassen, ob es nun so gemeint war oder nicht.
»Komm raus, komm raus, wo immer du bist«, sang Liam.
Derek schob mich in ein Dickicht von Büschen hinein. Es war so klein, dass wir kaum zu zweit darin Platz hatten und ich einen Mundvoll Pelz abbekam. Als ich versuchte, ihm mehr Raum zu gaben, knurrte er mich an, ich sollte keinen Lärm machen. Ich setzte mich hin, und er drängte sich zu mir herein, bis er mir fast auf dem Schoß lag.
Er hob den Kopf, um zu wittern. Der Wind kam aus der gleichen Richtung wie Liams Stimme, was wohl bedeutete, dass er uns nicht riechen konnte.
Ich schloss die Augen, um besser lauschen zu können. Ich spürte das Hämmern von Dereks Herz, und mein eigenes musste genauso hart pochen, denn er stieß mich am Arm an, bis ich die Augen öffnete und ihn ansah. Seine Augen waren dunkel vor Besorgnis.
»Alles okay mit mir«, flüsterte ich.
Er verlagerte sein Gewicht, bis er nicht mehr vollständig auf meinen Beinen lag. Als er sich bewegte, streifte meine Hand einen nassen Fleck in seinem Pelz. Ich zog sie zurück und stellte fest, dass meine Finger klebrig waren von Blut.
»Du bist …«
Er schnitt mir mit einem Grunzen das Wort ab.
Mir geht’s gut. Pssst jetzt.
Ich versuchte herauszufinden, wie schwer er verletzt war, aber er verlagerte sein Gewicht noch einmal, diesmal zu dem Zweck, mich unten zu halten.
Wir saßen schweigend da und horchten. Seine Ohren spielten, und
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