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Höllenherz / Roman

Höllenherz / Roman

Titel: Höllenherz / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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wieder zu.
    Oben auf dem Nachtschrank standen eine Lampe und ein Wecker, daneben lagen ein paar zerlesene Taschenbücher. Sie drehte die Buchrücken zu sich. Lor gefielen offenbar Western der Sorte »Einsamer Revolverheld rettet die Stadt«. Die passten zu ihm.
    Trotz ihrer Angst waren Talia einige Dinge an ihm aufgefallen: die breite Brust, die schmalen Hüften, der Teint, der einige Nuancen dunkler als ihrer war, als hielte er sich viel draußen in der Sonne auf. Ein Arbeiter.
    Aber da war nicht bloß der muskulöse Körper; in seinen Augen hatte sie eine ganze Welt von Traurigkeit gesehen. Lor stellte die Art Rätsel dar, in dessen Lösung sich eine Frau verlieren könnte. Talia kannte diesen Typ Mann. Nur noch ein Puzzleteil, und das Bild – oder die Seele – würde sich enthüllen.
    Ja, klar!
Der Kerl hatte sie angekettet! Also musste sie schleunigst hier weg und durfte keine Zeit damit verschwenden, seine Psyche zu sezieren.
    Stattdessen würde sie den Wecker auseinandernehmen. Als Talia die Hand um ihn schloss, fühlte sie die Vibrationen des Tickens. Es war eines von den altmodischen Aufziehmodellen mit einem runden Ziffernblatt und zwei kleinen Glocken oben. In dem Uhrwerk müsste etwas sein, mit dem sie das Handschellenschloss aufbrechen konnte. Als Jugendliche hatte sie das gesamte Houdini-Repertoire der Entfesselung gelernt, neben allen erdenklichen Kampfarten. Wer brauchte ein Sommercamp, wenn er Dad und Onkel Yuri hatte?
    Sie zog den Wecker auf das Bett und legte ihn mit dem Ziffernblatt nach unten hin. Zwar war es eine Schande, das Ding kaputt zu machen, aber … nun ja. Sie klappte den Messingdeckel hinten auf und beobachtete einen Moment lang das laufende Uhrwerk. Oben entdeckte sie eine schmale Spange, über die der kleine Glockenhammer mit einer Feder verbunden war. Sie sah fast wie eine Haarklammer aus, und mit ihr müsste es funktionieren, sofern das Metall nicht zu weich oder zu zerbrechlich war.
    Mit ihrer gefesselten Hand hielt Talia den Wecker fest und nahm mit der anderen das Uhrwerk auseinander. Sobald sie die Spange herausgenommen hatte, bog sie das eine Ende zu einem Haken. Diesen steckte sie in das Handschellenschloss, bis sie die winzige Kerbe fühlte. Mit gleichmäßigem Druck bewegte sie die Klammer von sich weg, und tatsächlich klickte es im Schloss. Zugleich verdrehte Talia ihre gefesselte Hand. Sie grinste zufrieden, als der Mechanismus nachgab, und rieb sich das Handgelenk. Endlich war sie von dem Silber befreit. Die Handschelle hatte ihre Haut wundgerieben.
    Talia rollte sich vom Bett und ging zum Fenster hinüber, um nach draußen zu sehen. Kalte Luft drang durch das Glas, und unten an der Scheibe hatte sich ein Eisrahmen gebildet. Weil Talia nicht atmete, folglich auch keine Dunstflecken auf der Scheibe erzeugte, konnte sie ungehindert hinausschauen.
    Es schneite inzwischen ziemlich stark, was ihrer Flucht nicht förderlich war, denn bald wären die Landstraßen unpassierbar. Sie musste sich beeilen.
    Auch wenn sie nie wieder in die Wohnung wollte, in der sie ihre tote Cousine gefunden hatte, blieb ihr keine andere Wahl. Allerdings sollte sie sich vorher überlegen, wie sie an den Cops vorbeikommen wollte. Ohne ihre Waffen, Bargeld und richtige Stiefel. Bei so viel Schnee kam sie in ihren zarten Stiefeletten nicht weit.
    Und falls ihr der Hund in die Quere kam, musste sie ihm eben Gehorsam beibringen. Niemand fing Talia Rostova zweimal!

[home]
9
    Dienstag, 28. Dezember, 23 Uhr 55
Innenstadt von Fairview
    D arak war dem Bösen bis zum Feuer gefolgt, doch dort war nicht viel zu sehen.
    Schaulustige, Polizei und eine städtische Zwingerladung Höllenhunde taten alles, was zu tun war – und nichts davon interessierte ihn.
    Das Feuer selbst war okay, doch er hatte schon bessere Zauber gesehen. Dieser hier war eindeutig übertrieben. Die Wände zum Schmelzen zu bringen – dabei handelte es sich schlicht um Effekthascherei und einen viel zu großen Aufwand für einen simplen Zweck.
    Was seine Aufmerksamkeit hingegen bannte, war, worauf es der Zauberer abgesehen hatte: das Wahlbüro. Nun, warum nicht, immerhin dürften sich hierüber die meisten Gemüter in der Stadt erhitzen. Aber eine Notfallambulanz in Brand zu stecken, das machte Darak wütend. Stets wurden die einfachen Leute in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Mächtigen auftrumpften.
    Er schritt einmal um die Feuerwehrabsperrung herum. Glühende Rußflocken regneten mit dem Schnee vom Himmel, so dass es aussah, als

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