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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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vor Wut am ganzen Körper zitternd, wusste ich, dass es für mich nicht gesund sein würde, hier länger zu verweilen. Also rannte ich, und er rannte hinter mir her.
    Wenn man es eilig hat, glaube ich, hat Angst mehr Wirkung als Wut; jedenfalls ließ ich ihn bald hinter mir zurück.
    Wieder ineinander verschwommene Bilder: Autos, Leute, Gebäude, nichts davon sonderlich klar, nichts davon sehr wirklich. Nur der überwältigende Duft von einem Laternenpfahl stoppte meine Flucht. Ich hielt inne, meine Hinterbeine überholten meine Vorderbeine, und ich machte schwerfällig kehrt. Ich trottete zu dieser ambrosianischen Säule zurück, alle Sinne angespannt, die Nase neugierig zuckend. Von allen Gerüchen, die ich in jüngster Zeit erlebt hatte, war dies bei weitem der interessanteste. Du musst wissen, es war Hund, Hund im Plural. Vom Sockel jener Betonsäule wehten mir sechs oder sieben verschiedene Persönlichkeiten entgegen — ganz zu schweigen von ein paar menschlichen Düften —, und ich trank sie wie betäubt in mich hinein. Ich hatte schon früher Bäume und Laternen beschnüffelt, aber jetzt schien es, dass meine Sinne ganz neu erwachten, oder vielleicht hatten sie sich auch verstärkt. Fast konnte ich die Hunde sehen, die dieses hochragende Urinal besucht hatten, fast mit ihnen sprechen; es war, als hätten sie eine aufgezeichnete Nachricht für mich hinterlassen. Ich konnte sogar die weibliche Hälfte unserer Gattung entdecken, und das hat, glaube ich, viel damit zu tun, weshalb Hunde sich so für das interessieren, was sie pinkeln: der sexuelle Instinkt, die Suche nach einer Gefährtin. Die Mädchen und Jungen hatten ihre Visitenkarten hinterlassen, wie um zu sagen Ich bin hier gewesen, das ist meine Route; falls es dich interessiert — es kann sein, dass ich hier wieder durchkomme. Ich war zu der Zeit zu jung, um von irgendwelchen sexuellen Anmutungen beunruhigt zu werden; die scharfen und doch würzigen Düfte interessierten mich auf einer ganz anderen Ebene. Das waren einfach Freunde, meinesgleichen.
    Als meine Nase gesättigt war, begann ich mich am Pflaster entlangzuschnüffeln, ohne auf die Passanten zu achten, ganz auf faszinierende Spuren konzentriert. Es dauerte nicht lange, bis noch faszinierendere Laute an meine Ohren drangen. Zuerst war es nur ein Geplapper, wie das Schnattern aufgescheuchter Gänse, aber als ich dann näherkam, nahm es deutlich menschliche Tonart an. Ich beschleunigte mein Tempo, und in mir entwickelte sich eine Hochstimmung. Die Laute sandten Wellen der Erregung aus.
    Ich kam an einen breiten Fluss von Straße und zögerte, ehe ich hinüberhetzte, und zum Glück stürzten sich keine Drachen auf mich. Die Laute hallten jetzt in meinen Ohren, und als ich um eine Ecke bog, erkannte ich, woher sie rührten: eine riesige Menge laufender, springender, schreiender, kichernder, weinender, spielender Kinder. Ich hatte eine Schule gefunden. Mein Schwanz begann sein automatisches Wedeln, und ich sprang nach vorn, schob meinen schmalen Kopf zwischen die Gitterstäbe, die den Schulhof umgaben.
    Eine Gruppe kleiner Mädchen entdeckte mich und kam vergnügt angerannt; ihre Hände griffen durch die Eisenstangen, um meinen Rücken zu tätscheln. Sie schrien entzückt auf, als ich nach Fingern zu schnappen versuchte, die meinen Kopf berührten; meine Absicht war nicht, sie zu beißen, sondern ihr weiches Fleisch zu schmecken. Bald hatte eine große Gruppe von Jungen und Mädchen einen Halbkreis um meinen durch den Zaun gesteckten Kopf gebildet, und die größeren Jungs drängten sich durch die Menge nach vorn. Man stopfte mir Bonbons in meinen eifrigen Mund und zog hastig Finger zurück, als es so aussah, als würde ich auch diese verschlucken. Ein winziges Mädchen mit sonnigem Haar schob ihr Gesicht ganz dicht an das meine heran, und meine Zunge machte ihre Nase und ihre Wange feucht. Aber sie fuhr nicht zurück, sondern kraulte mich am Hals.
    Und dann kehrten wieder flüchtige Erinnerungen zurück und plagten mich. Eines von diesen hatte mir gehört! Fast dachte ich, dieses Kind hier wäre das meine, es wäre das Kind, das mir gehört hatte, aber dann schoben sich andere Gesichtszüge davor. Das Haar war dasselbe: ein heller Heiligenschein um ein freches Gesicht herum, aber die Augen meiner Tochter waren blau gewesen; und die Augen, die jetzt die meinen anlächelten, waren braun. Ein Schrei der Hoffnungslosigkeit entrang sich mir, und das Mädchen hielt ihn für einen der Angst. Sie versuchte

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