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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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wo, zum Teufel, das Hundeheim eigentlich war.
    Ich blickte sehnsüchtig zu beleuchteten Fenstern hoch und sehnte mich nach Gesellschaft, trank die einladenden Gerüche in mich hinein. Aber der Regen trieb mich weiter, ließ mich suchen, aber nicht finden.
    Es war jetzt wirklich spät, und abgesehen von gelegentlich vorbeihuschenden Automobilen, waren die Straßen kalt und leer. Ich kauerte mich in die Türnische, und in mir kauerte sich ein armseliger Rest von Selbstbewusstsein zusammen. Die Müdigkeit ließ meine Augenlider heruntersinken, und nur der Hunger hielt mich wach. Fragen drängten sich in mein Elend.
    Dieser Ort war mir nicht vertraut, und doch wusste ich, dass es London war. War ich aus London? Nein, ich war nicht aus London. Warum wusste ich das? Ich wusste es einfach. Ich hatte die Erinnerung an grüne Felder, freien Raum; eine Ortschaft, aber keine große Ortschaft. Sie hatten den größeren Teil meines Lebens dargestellt, diese Felder und diese Ortschaft. Wo waren sie? Wenn ich sie nur finden könnte. Und doch kannte ich diese Stadt, wenn mir auch dieses ganz spezielle Viertel nicht vertraut war. Hatte ich in London gearbeitet? Plötzlich drängte sich mir die Vision einer Frau Ende der Fünfzig auf, korpulent, aber nicht groß, eine Frau, die lächelte, ihre Arme ausstreckte, und sie schien sie mir entgegenzustrecken, einen Namen zu rufen, der aber für meine Ohren ohne Ton war. Ihr Kopf wurde der eines Hundes und war genauso warm, genauso liebevoll. Meine beiden Mütter verschwanden aus meinem Bewusstsein, und an ihre Stelle trat die Gestalt eines Mannes, eines Mannes, der ganz normal schien, auf eine gesichtslose Art gutaussehend, und seine Umgebung war irgendwie anders, war nicht Teil der Szene, die ich mir gerade vorgestellt hatte.
    Ich hasste ihn. War das ich?
    Meine Gedanken wanderten müde weiter, unkontrolliert, richtungslos: Wieder das Kind, offensichtlich meines; das Mädchen — die junge Frau — sicherlich meine Frau; ein Haus; eine Straße, eine schmutzige Straße; eine Ortschaft. Fast hätte sich der Name der Ortschaft bei mir eingestellt; die Namen der Frau und des Kindes hingen hinter einer Barriere, die so dünn wie Papier war; mein eigener Name stieg aus Meerestiefen herauf und war im Begriff, die Oberfläche zu durchbrechen. Aber ein Wagen fegte vorbei, und die Namen zerstreuten sich wie aufgeschreckte Fische.
    Ich sah zu, wie die Rücklichter des Wagens in der Ferne entschwanden, und ihre Zwillingsreflexe verschwanden auf der nassen Straße mit ihnen, plötzlich von Bremslichtern verstärkt, und verschwanden dann ganz, als das Fahrzeug um eine Ecke bog (und selbst die schien mir vertraut). Ich war wieder alleine, in einer leeren Welt und mit einem leeren Kopf. Und dann sah ich den Geist.
    Hast du je einen Geist gesehen? Wahrscheinlich nicht. Aber hast du je gesehen, wie ein Hund plötzlich aufmerksam wird, ohne ersichtlichen Grund, wie er die Ohren spitzt, wie sein Fell sich aufstellt? Ohne Zweifel würdest du dann glauben, er hätte gerade etwas gehört, das deine Ohren nicht wahrgenommen haben, jemanden, der am Haus vorbeigeht, einen anderen Hund, der irgendwo fern in der Nacht bellt, und häufig würdest du damit recht haben. Aber oft geschieht das auch, weil er eine Präsenz wahrnimmt — einen Geist. Er wird nicht immer beunruhigt sein, vielleicht nur etwas verstört; das hängt sehr davon ab, um was für einen Geist es sich handelt. Er könnte freundlich oder unfreundlich sein.
    Denkst du, ich gehe jetzt zu weit? Warte nur bis später.
    Der Geist schwebte über die Straße auf mich zu, ein schemenhafter Umriss, eine flüchtige Gestalt. Er sah mich nicht, oder wenn er mich sah, entschied er sich dafür, mich zu ignorieren, und als der Umriss näherkam, konnte ich ein Gesicht ausmachen, Schultern und den Teil eines Oberkörpers. Die Erscheinung schien ein Jackett zu tragen, und ich konnte deutlich einen Hemdkragen und eine Krawatte ausmachen. Warum war er nicht nackt — warum scheinen Astralkörper nie nackt zu sein? Doch frag mich nicht, ich bin ja nur ein Hund.
    Nun gebe ich zu, dass die Erscheinung mich beunruhigte. Dabei ging nichts Böses von dem Geist aus, ganz sicher nicht, aber es war immerhin der erste Geist für mich — sowohl als Hund als auch als Mensch. Meine Haare sträubten sich, und meine Augen weiteten sich. Mein Mund fühlte sich plötzlich sehr trocken an. Ich war zu verängstigt, um auch nur zu winseln, und die Fähigkeit wegzurennen, hatte mich völlig

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