Höllenhund
»Ihr geht sogar aufeinander los, wenn es unangenehm wird.«
»Das nennt man Überleben, Hund. Überleben.« Die Ratte war sichtlich verstimmt. Er stand auf. »Ihr hasst uns, weil ihr wisst, dass wir alle gleich sind — Mensch, Tier, Insekt — alle gleich. Und ihr wisst, dass Ratten eine Existenz leben, die andere zu verbergen suchen. Stimmt das etwa nicht, Hund?«
»Nein, das stimmt nicht. Und ihr wisst das!«
So ging das eine ganze Weile, immer wieder ein >Ihr wisst das<. Unglücklicherweise wusste ich nicht, wovon sie redeten.
Rumbo rückte dem Wagen näher, und sein Fell sträubte sich vor Wut. »Es gibt einen Grund dafür, dass Ratten so leben, wie sie das tun, genauso wie es einen Grund dafür gibt, wie die Hunde leben. Und das weißt du!«
»Ja, und es gibt auch einen Grund für mich, dir die Kehle herauszureißen«, warf die Ratte Rumbo entgegen.
»Soweit kommt's noch, Rattenvisage!«
So beschimpften sie sich noch gute fünf Minuten, bis ihre Wut schließlich überkochte, und sie kochte auf seltsame Art und Weise über.
Ratte und Hund verstummten plötzlich, als gäbe es nichts mehr zu sagen. Sie funkelten einander an; Rumbos Augen traten groß hervor, die der Ratte waren klein und funkelten böse; beide waren von Hass erfüllt. Die Spannung zwischen ihnen stieg an, ein schreiendes Schweigen, ein Aufbauen von Gift. Und dann machte die Ratte quietschend einen Satz vom Wagendach herunter.
Rumbo war bereit. Er sprang beiseite, so dass der Nager hart auf der gefrorenen Erde landete, und stürzte sich dann auf den Hals der Ratte. Aber die entwand sich ihm, drehte sich herum und stellte sich Rumbos Angriff. Zähne schlugen aufeinander, Klauen bohrten sich ins Fleisch.
Ich stand da, benommen und ängstlich, und sah zu, wie sie versuchten, einander in Stücke zu reißen. Knurren, Schnauben und Quietschen kam von den ineinander verschlungenen Körpern. Aber dann jaulte Rumbo plötzlich auf und trieb mich zum Handeln. Ich rannte los, bellte, so laut ich konnte, versuchte den Zorn aufzubringen, der mir Mut machen würde. Es gab nicht viel, was ich tun konnte, denn sie waren ineinander verkrallt, wälzten sich, schlugen mit den Füßen um sich, bissen, rissen sich gegenseitig die Haut auf. Ich konnte nur immer dann zustoßen, wenn ich das stinkende braune Fell sah, und mit freigelegten Zähnen danach schnappen.
Und dann lösten sie sich plötzlich voneinander, keuchend, geschlagen, aber immer noch einander anfunkelnd. Ich sah, dass Rumbos Schulter aufgerissen war und dass eines der Ohren der Ratte zerfetzt war. Sie kauerten da, am ganzen Leib zitternd, und knurrten tief in ihrer Kehle. Ich dachte, sie wären vielleicht zu erschöpft, um weiterzumachen, aber dann wurde mir klar, dass sie nur Kräfte sammelten.
Wieder sprangen sie einander an, und diesmal sprang ich mit. Rumbo erwischte die Ratte an der Kehle, und ich schaffte es, sie in eines ihrer Vorderbeine zu beißen. Vom Geschmack nach warmem Blut wurde mir übel, aber ich klammerte mich mit all meiner Kraft an dem Geschöpf fest. Sie wälzte sich, schlug um sich und schnappte nach uns; ich spürte scharfen Schmerz an der Schulter, als sie mit den Zähnen wie mit einer Sense darüberfuhr. Der Schock ließ mich ihr Bein loslassen, und die Ratte drehte sich herum, schlug mit den Hinterbeinen nach mir, so dass ich über den gefrorenen Schlammboden rollte.
Ich rannte sofort wieder ins Getümmel und zog mir von den Klauen des Nagers eine tiefe Wunde über der Nase zu. Der Schmerz trieb mich wieder weg von den beiden, aber ich war ebenso schnell wieder zurück. Rumbo hatte die Ratte immer noch an der Kehle, bemühte sich, sie hochzuheben und dann zu Boden zu schleudern, ein Trick, den ich schon einige Male an ihm beobachtet hatte und mit dem er anderen Nagern das Rückgrat gebrochen hatte. Doch die Ratte war zu groß, zu schwer. Aber zumindest verhinderte der Griff, mit dem Rumbo seinen Widersacher festhielt, dass dieser mit seinen Zähnen ernsthaften Schaden anrichtete; er hatte mir die Schultern aufgerissen, hätte mich aber ernsthaft verletzen können, wenn seine Nagezähne sich hätten festbeißen können. Die Ratte war so stark, dass sie sich losreißen konnte. Sie rannte weg, machte kehrt und kam wieder herangeschossen. Ihr Kopf zuckte zuerst nach links, dann nach rechts, und ihre bösartigen Waffen schlugen auf uns ein. Rumbo schrie, als seine Flanke aufgerissen wurde. Er taumelte zur Seite, und die Ratte warf sich mit einem Triumphschrei auf ihn.
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