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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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hilfloses Häufchen Fleisch landete. Mir war es unterdessen überlassen, mich um die Gefährten des unglücklichen Nagers zu kümmern, und ich lernte das fast ebenso geschickt — wenn auch nie mit so viel Schwung — wie Rumbo zu tun.
    Einmal freilich wäre es beinahe schiefgegangen.
    Es war Winter, und der Schlamm im Hof war vom Frost hartgefroren. Der Hof selbst war abgesperrt und verlassen — es muss ein Sonntag gewesen sein —, und Rumbo und ich lagen behaglich und warm auf dem Rücksitz eines ausgeschlachteten Morris 1100, der uns als eine Art Quartier auf Zeit diente. (Unser letztes Zuhause, ein geräumiger Zephyr, war völlig zerlegt und als Schrott verkauft worden.) Rumbos Kopf schoss als erster in die Höhe und meiner gleich danach; wir hatten ein Geräusch gehört, und jener vertraute, beißende Geruch lag in der Luft. Wir krochen lautlos aus dem Wagenwrack und folgten unseren Nasen zur Quelle des Geruchs, in das Durcheinander von Wracks hinein, durch die schmalen Gänge aus zerbeultem Metall, immer dem Geruch nach Ratte hinterher, und das gelegentliche Scharren an Metall ließ unsere Ohren zucken. Und dann fanden wir sie.
    Oder besser gesagt, sie fand uns.
    Wir hatten vor einer Biegung im Weg zwischen den Wagen haltgemacht, wissend, dass unser Opfer hinter dieser Biegung lag, der scharfe Geruch und die kratzenden Geräusche verrieten es, und spannten gerade unsere Muskeln für den Angriff, als sie plötzlich vor uns auftauchte.
    Es war die größte Ratte, die ich je gesehen hatte, fast halb so groß wie ich (und ich war erheblich gewachsen). Ihr Haar war braun, und ihre Schneidezähne waren lang und sahen bösartig aus. Das Geschöpf war von der plötzlichen Konfrontation ebenso verblüfft wie wir und verschwand sofort, ließ uns gerade noch Zeit, überrascht zu blinzeln. Wir rannten um die Ecke, aber sie war verschwunden.
    »Sucht ihr mich?« kam von irgendwo über uns eine Stimme. Wir sahen uns verwirrt um, und dann entdeckten wir die Ratte gleichzeitig. Sie kauerte auf dem Dach eines Wagens und blickte verächtlich auf uns herab.
    »Hier oben, ihr räudigen Köter. Kommt ihr rauf zu mir?« sagte sie.
    Nun neigen Ratten im allgemeinen nicht sehr zur Gesprächigkeit; die meisten von ihnen spucken und fluchen und zischen, aber das hier war die gesprächigste Ratte, die mir je über den Weg gekommen war.
    »Ich hab von euch beiden gehört«, fuhr sie fort. »Ihr habt uns eine Menge Ärger bereitet. Das sagen wenigstens die, die euch entkommen sind.« (Alle erwischt man schließlich nicht.) »Ich wollte euch immer schon kennenlernen — ganz besonders dich, den Großen. Meinst du, du bist mir gewachsen?«
    Ich musste Rumbos Mumm bewundern. Mir war danach, weg zu rennen und mich zu verstecken. Die Ratte mochte kleiner gewesen sein als ich, aber diese Zähne und Klauen sahen aus, als könnten sie an zartem Hundefleisch eine Menge Schaden anrichten. Aber Rumbo ließ nicht die leiseste Spur von Nervosität erkennen, als er antwortete: »Kommst du runter, Großmaul, oder muss ich dich holen?«
    Die Ratte lachte tatsächlich — Ratten lachen nicht viel — und nahm eine bequemere Lage ein. »Ich komm schon runter, Köter, aber zu meiner Zeit. Vorher will ich reden.« (Das war ganz sicherlich keine gewöhnliche Ratte.) »Was ist es eigentlich genau, was du gegen uns Ratten hast, Freund? Ich weiß, dass wir weder von Menschen noch von Tieren geliebt werden. Aber du hast doch eine besondere Abneigung, oder? Ist es, weil wir Aasfresser sind? Aber dann muss ich schon fragen, seid ihr da nicht noch schlimmer? Sind nicht alle in Gefangenschaft lebenden Tiere auf ihre Art Aasfresser, weil sie vom Menschen leben — als Parasiten? Ihr könnt natürlich eurer Existenz nicht einmal mit dem Wort >gefangen< Würde verleihen, weil die meisten von euch sich für die Art von Leben freiwillig entschieden haben, nicht wahr? Hasst ihr uns, weil wir frei sind, nicht domestiziert, nicht...« Sie machte eine Pause, grinste bösartig. »... kastriert sind wie ihr?«
    Diese letzte Bemerkung stachelte Rumbo an. »Ich bin nicht kastriert, du Rattengesicht, das werden die mir nie antun!«
    »Es braucht nicht physisch zu sein, das weißt du doch«, sagte die Ratte selbstgefällig. »Ich spreche von deinem Verstand.«
    »Ich habe immer noch meinen eigenen Verstand.«
    »Hast du den, wie?« spottete die Ratte. »Wir Ungeziefer laufen wenigstens frei herum, niemand hält uns.«
    »Wer, zum Teufel, würde euch denn wollen?« konterte Rumbo.

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