Höllenhund
Bettes kräftiger war als meine Angst vor dem, was vielleicht bald passieren könnte. Mit einem Wort, ich war dumm. (Rumbo hatte recht gehabt.) Und selbst ich staune darüber, wie dumm mein nächster Fehler war.
Eines Nachts fand ich am Rand des Ausgusses einen netten kaubaren Plastikgegenstand. Jetzt, da Victoria ausgezogen und ihr Korb mein Bett geworden war, war die Küche zu meiner nächtlichen Domäne geworden. Ich stöberte oft in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden herum, und diesmal hatte ich das Glück gehabt, ein Spielzeug zu finden. Nicht zu hart, nicht zu weich und knusprig, als ich kräftig darauf biss. Nicht gut zu essen, aber hübsch anzusehen, mit seiner rosafarbenen Oberfläche und den kleinen weißen Verzierungen an einem Rand. Ich amüsierte mich stundenlang damit.
Als Miss Birdle am nächsten Morgen in die Küche kam, vermittelte sie keineswegs den Eindruck besonderer Vergnügtheit. Ihr zahnloser Mund öffnete sich und stieß einen wütenden, tonlosen Schrei aus, und als ich in ihren zahnlosen Mund sah, begriff mein menschlicher Teil, was da zerkaut, zerdrückt und zersplittert zwischen meinen Pfoten lag.
»Meine Tssähne!« stieß Miss Birdle nach ihrem ersten wortlosen Aufschrei heraus. »Meine falschen Tssähne!« Und wieder trat dieses goldene Leuchten in ihre Augen.
Ja, ich bin dumm, so dumm, dass ich selbst über mich staune. Aber auch im Leben des dümmsten Hundes kommt einmal der Augenblick, wo er ganz genau weiß, was er als nächstes tun muss. Und das tat ich.
Ich schoss durch das Fenster, genau wie die Katze das getan hatte (durch die neue Fensterscheibe, um das genau zu sagen), und Angst und Schrecken halfen mir, das zu schaffen, was ich bisher nicht zustande gebracht hatte (nämlich auf den Ausguss zu springen). Die Tatsache, dass Miss Birdle nach dem langen Fleischmesser griff, das mit seinen kulinarischen Gefährten an der Wand hing, überzeugte mich, dass dies vielleicht ihr schlimmster Anfall sein könnte. Ich hielt es für unnötig abzuwarten, um es genau zu erfahren.
Ich hetzte über ihre Blumenbeete, zwängte mich durch Büsche und Unterholz und rannte auf das freie Feld dahinter. Das erschreckende Bild von Miss Birdle im langen weißen Nachtgewand, die mich jagte und dabei mit dem bösen Schlachtermesser herumfuchtelte, hielt mich eine ganze
Weile in Trab. Es ist ganz sicher angenehm, vier Beine zu haben, wenn man dauernd davon rennt.
Ich war weit von jenem Haus entfernt, als ich schließlich erschöpft zusammenbrach, und hatte bereits den festen Entschluss gefasst, niemals dorthin zurückzukehren. Nicht einmal ein Hund konnte so leben. Ich schauderte bei dem Gedanken an die schizophrene alte Dame, die im einen Augenblick so bezaubernd und im nächsten so tödlich war. Ließen sich etwa alle ihre Freundinnen durch ihre bezaubernd altjüngferliche Art täuschen? Sah denn niemand, was hinter dieser Fassade lauerte, bereit, auf den leisesten Anstoß entfesselt zu werden? Vermutlich nicht, denn sie schien so populär und von allen respektiert. Alle liebten Miss Birdle. Und Miss Birdle liebte alle. Wer würde je ahnen, dass die reizende alte Dame diesen bösen Zug an sich hatte? Weshalb sollte auch jemand so etwas denken? Da ich ihre liebenswerte Seite so gut kannte, bereitete es selbst mir Schwierigkeiten zu glauben, dass ihre Freundlichkeit in solche Gewalttätigkeit umschlagen konnte. Aber ich werde niemals wieder süßen alten Damen vertrauen. Wie kann man diesen menschlichen Zug verstehen? Was machte jemanden in einem Augenblick gut und im nächsten böse? Aber das war in Wirklichkeit ganz einfach: Sie war verrückt.
14
Hundeleben, Hundetage, schmutziger Hund, verrückter Hund, fauler Hund, hundemüde — warum treibt man mit unserem Namen eigentlich solches Schindluder? Man sagt ja auch nicht Igelleben oder froschmüde oder Hasentage. Freilich benutzt man gewisse Tiernamen, um bestimmte Arten von Menschen zu beschreiben — Affe, Gans, Schwein —, aber das sind nur individuelle Beschreibungen, man weitet den Bereich jedenfalls nicht aus. Nur Hunde müssen sich diese Misshandlungen gefallen lassen. Man benutzt sogar die Namen verschiedener Gattungen in lobender Weise: Ein Elefant vergisst nie etwas (stimmt nicht), tapfer wie ein Löwe (stimmt ganz entschieden nicht), weise wie eine Eule. (Das soll wohl ein Witz sein?) Aber wo macht man dem Hund Komplimente? Und doch liebt ihr uns und haltet uns für den besten Freund des Menschen. Wir bewachen euch, wir
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