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Höllenhund

Höllenhund

Titel: Höllenhund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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sogar unbestimmte Erinnerungen, aber sie denken nicht wie du, nicht in menschlichen Kategorien. In dir vollzieht sich ein Kampf, eine Auseinandersetzung — Mensch gegen Hund —, aber ich glaube, am Ende wird dieser Gegensatz sich auflösen. Du wirst entweder gänzlich ein Hund werden, oder zwischen den beiden wird ein Gleichgewicht eintreten. Ich hoffe, es wird letzteres sein — das könnte bedeuten, dass sich für uns alle eine Entwicklung vollzieht. Aber hör mir zu: Du wirst in diesem Leben nie wieder physisch ein Mensch sein.«
    Verzweiflung packte mich. Was hatte ich erwartet? Dass ich vielleicht eines Tages durch irgendein Wunder in meinen alten Körper zurückkehren würde? Dass ich wieder ein normales Leben leben würde? Ich heulte in die Nacht hinaus und weinte wie nie zuvor.
    Schließlich, ohne jede Hoffnung in der Stimme, sagte ich zu dem Dachs: »Was soll ich jetzt tun? Wie kann ich so leben?«
    Er schob sich näher zu mir heran und sagte ganz leise: »Du nimmst es jetzt hin. Nimm hin, dass du ein Hund bist. Nimm hin, dass du etwas Besonderes bist, ein Spiel der Natur vielleicht — und vielleicht auch nicht. Du musst jetzt als Hund leben.«
    »Aber ich muss wissen, wer ich war!«
    »Nein, es wird dir nichts helfen. Vergiss deine Vergangenheit, deine Familie — sie haben mit dir jetzt nichts mehr zu tun.«
    »Sie brauchen mich!«
    »Du kannst nichts tun!«
    Ich stand auf und sah ihn mit funkelnden Augen an. »Du verstehst nicht. In ihrer Nähe ist jemand, der böse ist. Sie brauchen Schutz vor ihm. Ich glaube, er hat mich getötet!«
    Der Dachs schüttelte müde den Kopf. »Das ist ohne Bedeutung, Dusel. Du kannst ihnen nicht mehr helfen. Du musst deine Vergangenheit vergessen. Es würde dir vielleicht leidtun, wenn du zurückgingst.«
    »Nein!« knurrte ich. »Vielleicht ist dies der Grund, weshalb ich mich erinnern kann, dass ich anders bin. Sie brauchen meine Hilfe! Das ist in mir geblieben, als ich starb! Ich muss zu ihnen!«
    Und dann rannte ich weg, verließ den Dachs, hatte Angst, er würde mich zum Bleiben zwingen, hatte Angst, mehr zu hören. Aber als ich eine sichere Distanz zwischen ihn und mich gelegt hatte, drehte ich mich um und rief zurück:
    »Wer bist du, Dachs? Was bist du?«
    Es kam keine Antwort. Und ich konnte ihn nicht länger in der Dunkelheit sehen.
16
    Ziemlich stark, was? Ein wenig beängstigend? Nun, mir hat es Angst eingejagt. Aber du verstehst doch den Sinn? Wenn es dieses große Ziel gibt, auf das wir alle hinarbeiten — nenne es Perfektion, Glück, Seelenfrieden, was du willst —, dann scheint es doch ganz richtig, dass sich das nicht von selbst einstellt; wir müssen es uns verdienen. Ich weiß nicht warum, und ich bin immer noch nicht sicher, ob ich selbst daran glaube (und ich bin ein Hund, der einmal ein Mensch war), also nehme ich es dir nicht übel, wenn du Zweifel hast. Aber, wie gesagt, halte deinen Verstand offen.
    Etwa einen Tag darauf fand ich mich auf der High Street von Edenbridge. Ich bin nicht sicher, wie lange ich brauchte, um dorthin zu kommen, weil — das wirst du dir ja vorstellen können — ich nach meinem Zusammentreffen mit dem Dachs noch ziemlich durcheinander war. Ich musste akzeptieren, dass ich als Mensch tot war (wenn ich den Dachs-Enthüllungen glauben wollte), und es würde für mich keine Rückkehr in die Normalität geben. Aber wenn ich tot war, wie war ich dann gestorben? Altersschwäche? Irgendwie bezweifelte ich das. Meine Frau schien mir in meinen Erinnerungen noch ziemlich jung, und meine Tochter konnte aller-höchstens fünf oder sechs gewesen sein. Krankheit? Möglich. Und doch, warum waren meine gegen diesen Mann gerichteten, mysteriösen Gefühle so ausgeprägt? Warum wirkte er auf mich so böse? Hatte er mich getötet?
    Ich war sicher, dass das die Antwort war, denn warum sonst sollte ich solchen Hass gegen ihn empfinden? Ich war fest entschlossen, die Wahrheit herauszufinden. Aber zuerst musste ich meine Familie finden.
    Auf der High Street wimmelte es von Passanten und Lieferwagen, und die Szene war mir unbestimmt vertraut. Ich muss hier gelebt haben, sagte ich mir, warum sonst sollte ich mich zu der kleinen Ortschaft so hingezogen fühlen? Aber eine weitergehende Erkenntnis wollte sich nicht einstellen, sie wollte einfach nicht kommen.
    Den Passanten musste der nachdenklich wirkende Köter, der die Straßen auf und ab ging, die Gesichter der Vorübergehenden studierte und immer wieder an Ladeneingängen schnüffelte,

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