Höllenhund
seltsam vorgekommen sein. Ich ignorierte alle Verlockungen, denn ich hatte jetzt Ernsthafteres im Sinn als irgendwelche Spielereien.
Am späten Nachmittag hatte sich für mich noch nichts verändert. Ich konnte mich einfach nicht deutlich an irgendeinen der Läden, eine Kneipe oder an die Leute erinnern, obwohl mir alles auf bedrückende Art vertraut war! Dann erinnerte mich dieser alte Plagegeist Hunger daran, dass es ihn auch immer noch gab und er nicht die Absicht hatte, mich von der Leine zu lassen, bloß weil ich Probleme hatte. Die Ladenbesitzer verscheuchten mich, als ich meine Schnüffelnase zu ihren Türen hereinstreckte, und mein plötzlicher Vorstoß auf einen überladenen Einkaufskorb trug mir einen scharfen Klaps auf die Schnauze und einige Beschimpfungen ein.
Da ich keineswegs Aufsehen erregen wollte (ich wollte nicht, dass die Polizei mich aufgriff, denn ich musste ja schließlich in der Ortschaft bleiben, bis irgendetwas geschah und meine Erinnerung sich wieder einstellte), verließ ich die Hauptstraße und schlenderte weiter, bis ich ein ziemlich großes, vermutlich öffentliches Grundstück erreichte. Und dann klickte plötzlich etwas, obwohl es für mich nicht besonders hilfreich war: In den letzten zwanzig Jahren waren eine ganze Menge Bewohner von South London nach Edinbridge umgesiedelt worden, weg von ihren Slums, in moderne Wohnungen, umgeben von sympathischer Landschaft. Viele hatten sich ihrer neuen Umgebung angepasst, während andere (wie zum Beispiel Lenny, der Mann, den ich auf dem Schrottplatz kennengelernt hatte), sich immer noch nach ihrer alten Nachbarschaft sehnten und viel Zeit damit verbrachten, zwischen zwei Gegenden, die wie Tag und Nacht waren, hin und her zu wandern. All dies war mir bewusst, weil ich ganz offensichtlich in der Ortschaft gelebt hatte und ihre Vergangenheit kannte. Aber wo hatte ich gelebt? In einer dieser Wohnungen? Nein, da klickte nichts. Das fühlte sich einfach nicht richtig an.
Ich folgte ein paar kleinen Jungs nach Hause, was ihnen großes Vergnügen bereitete, und schaffte es, von ihrer zwar schimpfenden, aber immerhin freundlich gestimmten Mutter ein paar Küchenabfälle zu ergattern. Das Essen war nicht besonders, aber für eine Weile reichte es; ich krabbelte zur Enttäuschung der Jungs wieder aus ihrem Garten und begab mich zur High Street zurück.
Diesmal schlenderte ich zuerst alle Nebenstraßen auf der einen Seite hinab und dann alle Nebenstraßen auf der anderen, aber nichts legte jenen einzigen Schalter in meinem Bewusstsein um, von dem ich wusste, dass er eine Flut von Erinnerungen auslösen würde.
Die Nacht senkte sich, und um meine Stimmung war es auch nicht viel besser bestellt. Nichts war passiert. Ich war so sicher gewesen, als ich die Ortschaft erreichte, dass es leicht sein würde, mein Heim zu finden, dass mich vertraute Dinge hinführen würden — aber es war nicht passiert. Ich tappte geistig immer noch im Dunkeln, und jetzt sogar körperlich.
Ich wanderte bis zum Rand der Ortschaft, vorbei an Kneipen, über eine Brücke, an einer großen Garage vorbei, einem Krankenhaus — und dann gab es keine Gebäude mehr. Vor mir lag nur dunkle Landschaft. Völlig niedergeschlagen betrat ich das Krankenhausgelände, fand eine stille Ecke im Hof hinter dem weißen einstöckigen Gebäude und schlief.
Der Geruch nach herrlichem Essen weckte mich am folgenden Morgen, und ich schnüffelte mir meinen Weg zu einem offenen Fenster, aus dem diese köstlichen Düfte kamen. Ich stellte mich auf die Hinterbeine und stützte die Vorderpfoten auf den Fenstersims. Unglücklicherweise war das Fenster zu hoch, als dass ich in den Raum dahinter hätte sehen können; aber mit hochgereckter Nase konnte ich wenigstens die köstlichen Gerüche in mich hineintrinken. Und dann stieß ich plötzlich einen erfreuten Schrei aus. Ein mächtiger, runder brauner Kopf tauchte plötzlich über mir auf, weiße Zähne blitzten mir verblüfft einen Willkommensgruß zu. Rot und Orange leuchteten in dem breiten Gesicht der Frau, als ihr Grinsen noch breiter wurde.
»Hast du Hunger, Hundchen?« fragte sie, und ich wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz. »Bleib nur da«, sagte sie.
Der strahlende Kopf verschwand und tauchte fast im gleichen Augenblick wieder auf, und jetzt drohte das Lachen das Gesicht förmlich zu sprengen. Ein dünnes, halbverbranntes Stück Speck baumelte vor mir.
»Da, das gehört dir, Süßer«, sagte sie und ließ das heiße Stück Fleisch in
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