Höllenjagd
gehen und uns ausgiebig über die jüngsten Ereignisse unterhalten können.«
»Nehmen wir deinen schicken Wagen?«
Überrascht sah sie, wie ein schmerzvoller Ausdruck über sein Gesicht huschte. »Ich befürchte, das wird so bald nicht möglich sein.«
35
Der Bau des Gefängnisses von San Quentin begann verheißungsvoll am Tag des Sturms auf die Bastille, dem 14. Juli 1852. Warum es später nach dem berüchtigten wegen Mordes einsitzenden Häftling Miguel Quentin benannt wurde, kann man nur mutmaßen. Der Begriff San bedeutet im Spanischen Heiliger. Quentin war kein Heiliger, doch sein Name blieb bestehen, und das Gefängnis wurde unter dem Namen San Quentin bekannt.
Im ältesten Staatsgefängnis von Kalifornien fand die erste Hinrichtung 1893 statt, als José Gabriel wegen Mordes an einem älteren Ehepaar, für das er gearbeitet hatte, gehängt wurde. Frauen saßen dort ebenfalls ein, allerdings in einem gesonderten Trakt. 1906 starben über einhundert Häftlinge hinter den Gefängnismauern, entweder von anderen Gefängnisinsassen ermordet oder indem sie Selbstmord begingen oder eines natürlichen Todes starben. Sie wurden auf dem Friedhof außerhalb der Gefängnismauern begraben.
Richard Weber, der Leiter, war ein großer, sportlicher und tüchtiger Mann, der sich ganz seinem Beruf verschrieben hatte. Er war stark wie ein Fels und trug ein Dauerlächeln im Gesicht, das seine Mundwinkel leicht kräuselte. Er war ein strenger Zuchtmeister, der aber auch fest an Reformen glaubte und die Gefängnisinsassen in verschiedenen Ausbildungsprogrammen arbeiten ließ, in den Werkstätten oder im Garten. Die Häftlinge dafür bescheiden abzufinden und sie durch Reduzierung ihres Strafmaßes zu belohnen förderten seinen Ruf als »der harte, aber faire Gefängnisdirektor«.
Bronson lag vollkommen richtig, als er behauptete, dass Weber nicht käuflich sei. Der Makel der Korruption oder Bestechlichkeit haftete ihm nicht an, das war allgemein bekannt. Als strenggläubige Katholiken hatten Weber und seine Frau acht Kinder großgezogen. Sein Gehalt als Leiter der größten Gefängnisanstalt des Bundesstaates war anständig, doch es blieb wenig für irgendwelche Extras übrig. Sein Traum, sich eines Tages auf eine Ranch im San Joaquin Valley zurückzuziehen, war genau das: ein Traum.
Obwohl es oft hieß, dass jeder Mensch seinen Preis hatte, hielten alle, die ihn kannten, Weber für unbestechlich. Doch wie sich zeigen sollte, war er hinter der integren Fassade auch nur ein Mensch.
Sobald Cromwell in Einzelhaft saß, suchte Weber den Bankier in seiner kleinen Zelle zwei Stockwerke unter dem Haupttrakt des Gefängnisses auf. Er bat den Wärter, die Stahltür zu öffnen, betrat die Zelle und setzte sich auf einen kleinen Klappstuhl, den er mitgebracht hatte.
»Mr. Cromwell«, sagte er höflich, »willkommen in San Quentin.«
Cromwell erhob sich von seiner Pritsche und nickte. »Ich sollte wohl sagen, dass ich Ihnen für die Gastfreundschaft dankbar bin, doch das wäre eine Lüge.«
»Wenn ich es richtig verstanden habe, werden Sie nur für kurze Zeit bei uns sein.«
»Bis vor dem Bundesgericht Anklage gegen mich erhoben wird«, sagte Cromwell. »Ist es das, was Bronson von der Detective Agency Van Dorn Ihnen erzählt hat?«
Weber nickte. »Er sagte, er würde auf weitere Anweisungen der Bundespolizei in Washington warten.«
»Wissen Sie, warum ich verhaftet wurde?«
»Mir wurde gesagt, Sie seien der berüchtigte Schlächter.«
»Ist Ihnen meine gesellschaftliche Stellung in San Francisco bekannt?«, fragte Cromwell.
»Sehr wohl«, erwiderte Weber. »Ihnen gehört die Cromwell Bank, und Sie sind ein angesehener Philanthrop.«
»Glauben Sie, dass so jemand Banken überfallen und Dutzende von Leuten töten könnte?«
Weber rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Ich muss gestehen, dass ich diese Vorstellung ein wenig abwegig finde.«
Cromwell holte zum entscheidenden Schlag aus. »Würde ich Ihnen mein Wort geben, dass ich keinerlei Verbrechen begangen habe und all dies falsche Beschuldigungen der Regierung der Vereinigten Staaten sind, um sich meine Bank unter den Nagel zu reißen, würden Sie mich dann freilassen?«
Weber dachte einen Augenblick nach und schüttelte schließlich den Kopf. »Tut mir leid, Mr. Cromwell, ich bin nicht berechtigt, Sie laufen zu lassen.«
»Selbst wenn noch keine formelle Anklage erhoben wurde?«
»Mir wurde versichert, dass die formelle Anklage in diesem Moment vorbereitet
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