Höllenjagd
jeder Spur nachgehen, ganz gleich, wie unbedeutend sie aussehen mag. Die Van Dorn Detective Agency will den Mörder genauso sehr wie Sie.«
»Vielleicht gehen Sie in den Gemischtwarenladen und besorgen ein paar Kaubonbons«, schlug Sheriff Huey vor. »Jackie ist eine Naschkatze.«
»Danke für den Tipp.«
Bell fand das Haus der Ruggles genau so vor, wie Huey es beschrieben hatte. Die gesamte Holzkonstruktion neigte sich zur Seite. Noch ein paar Zentimeter, und es würde auf die Straße stürzen. Er wollte gerade die wacklige Treppe hinaufsteigen, als ein Junge aus der Eingangstür stürzte und auf die Straße rannte.
»Bist du Jackie Ruggles?«, fragte Bell und packte ihn am Arm, bevor er entwischen konnte.
Der Junge war nicht im Geringsten eingeschüchtert. »Wer will das wissen?«
»Mein Name ist Bell. Ich arbeite für die Van Dorn Detective Agency. Ich würde dir gerne ein paar Fragen über das stellen, was du am Tag des Bankraubs gesehen hast.«
»Van Dorn!«, sagte der Junge voller Ehrfurcht. »Mann, ihr Typen seid berühmt! Ein Detektiv von Van Dorn will mit mir reden?«
»Richtig«, sagte Bell und ließ sich auf das Spiel ein. »Möchtest du ein paar Kaubonbons?« Er hob eine kleine Tüte hoch, die er soeben im Gemischtwarenladen erstanden hatte.
»Mann! Danke, Mister.« Jackie Ruggles zögerte nicht lange, griff in die Tüte und schob sich ein grünes Kaubonbon in den Mund. Er trug ein Baumwollhemd, Hosen, die über dem Knie abgeschnitten waren, und abgetragene Lederschuhe, die, wie Bell vermutete, von einem älteren Bruder stammten. Die Kleider waren ziemlich sauber, wie es sich für eine Mutter, die Wäscherin war, gehörte. Er war dünn wie eine Bohnenstange, mit knabenhaften Zügen in einem von Sommersprossen übersäten Gesicht, das von einem ungekämmten, hellbraunen Lockenwuschel gekrönt wurde.
»Sheriff Huey hat mir erzählt, du hättest den Bankräuber gesehen.«
»Hab ich auch. Das einzige Problem ist, dass mir niemand glaubt«, antwortete der Junge kauend.
»Ich schon«, versicherte ihm Bell. »Erzähl mir, was du gesehen hast.«
Jackie wollte nach dem nächsten Kaubonbon in der Tüte greifen, aber Bell hielt ihn davon ab. »Du kannst sie haben, wenn du mir alles erzählt hast.«
Der Junge blickte verärgert drein, zuckte dann aber mit den Schultern. »Ich habe mit meinen Freunden Baseball auf der Straße gespielt, als der alte Mann...«
»Wie alt?«
Jackie blickte Bell an. »So in Ihrem Alter.«
Bell hatte dreißig nie für alt gehalten, aber für einen Jungen von zehn musste er uralt wirken. »Weiter.«
»Er war angezogen wie die meisten Minenarbeiter hier, aber er trug einen großen Hut wie die Mexikaner.«
»Einen Sombrero?«
»Ich glaube, so nennt man die. Und er hatte einen großen Sack über der Schulter. Sah aus, als wäre er mit irgendetwas voll gestopft.«
»Was hast du noch bemerkt?«
»An einer Hand fehlte der kleine Finger.«
Bell horchte auf. Das war der erste Hinweis, um den Mörder zu identifizieren. »Bist du dir sicher, dass ihm der kleine Finger fehlte?«
»So sicher, wie ich hier stehe«, sagte Jackie.
»Welche Hand?«, fragte Bell und hielt seine wachsende Erregung im Zaum.
»Die linke.«
»Du bist dir ganz sicher, dass es die linke war?«
Jackie nickte, während er sehnsüchtig auf die Tüte Kaubonbons starrte. »Er hat mich ziemlich wütend angestarrt, als er merkte, dass ich ihn gesehen habe.«
»Was ist dann passiert?«
»Ich musste einen Flyball fangen. Als ich mich dann wieder umgedreht habe, war er weg.«
Bell tätschelte Jackie den Kopf, und seine Hand verschwand beinahe in einem Berg widerspenstiger Haare. Er lächelte. »Hier, iss deine Kaubonbons, aber wenn ich du wäre, würde ich langsam kauen, dann halten sie länger.«
Nachdem er das Rhyolite Hotel verlassen hatte und bevor er den Zug bestieg, bezahlte Bell den Telegrafenbeamten am Bahnhof dafür, dass er Van Dorn eine Beschreibung des Schlächters mit dem fehlenden kleinen Finger an der linken Hand schickte. Er wusste, dass Van Dorn die Neuigkeit umgehend an seine Armee von Ermittlern weiterleiten würde, damit sie Ausschau hielten und jeden Mann mit dieser Verstümmelung meldeten.
Nachdem sich Bell im Sitz des Pullmanwagens zurückgelehnt hatte, blickte er aus dem Fenster in die kahle Landschaft der Mojavewüste. Was er von dem jungen Burschen erfahren hatte, würde ihnen helfen, den Raubmörder zu finden. Agenten im gesamten Westen würden nun ihr Augenmerk auf einen Mann ohne
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