Höllenjagd
während der Wagen wie ein Löwe auf Zebrajagd die Straße entlangschoss. »Du hast zwei Tage bis hierher gebraucht? Denkst du nicht, dass es ein bisschen knapp wird? Sie haben doch bestimmt die Strafverfolgungsbehörden informiert und private Ermittler engagiert, die sämtliche Banken im Land nach dem Papier, das ein Vermögen wert ist, abklappern.«
»Und das braucht Zeit, mehr als achtundvierzig Stunden«, fügte er hinzu, während er sich mit der Hand an den Sitz klammerte, weil es keine Türen in dem Flitzer gab und die Fahrerin scharf nach links in die Market Street einbog. Mit der anderen Hand konnte er gerade noch nach seiner Melone greifen, bevor sie auf die Straße geflogen wäre.
Sie fuhr schnell, dem Anschein nach halsbrecherisch, doch sie war geschickt und wich dem langsameren Verkehr um sie herum mit einer Geschwindigkeit aus, die Köpfe herumfliegen und Passanten erschrecken ließ.
Sie sauste an einem großen Bierwagen vorbei, der von einem Gespann von Percheron-Pferden gezogen wurde und fast die gesamte Straßenbreite einnahm. Doch sie flitzten zwischen den gestapelten Fässern und dem Gehsteig voller Fußgänger hindurch, mit nur ein paar Zentimetern Abstand zu beiden Seiten. Er pfiff tapfer die Marschmelodie »Garry Owen« und tippte sich beim Anblick der hübschen Mädchen, die aus einem Bekleidungsgeschäft kamen, an den Hut. Der große Straßenbahnwagen der Market Street tauchte vor ihnen auf, und sie fuhr zwischen dem entgegenkommenden Verkehr hindurch, um ihn zu überholen, wobei sie zum Ärger der Wagenführer, die wütend die Fäuste schüttelten, mehr als ein Pferd dazu brachte, sich auf die Hinterbeine zu stellen.
Nach zwei weiteren Blocks in den Schluchten aus Ziegel- und Sandsteingebäuden hielt sie mit quietschenden Reifen vor der Cromwell Bank an der südöstlichen Ecke Market und Sutter Street. »Da wären wir, mein lieber Bruder. Ich bin mir sicher, dass du die Fahrt genossen hast.«
»Du wirst dir eines Tages noch den Hals brechen.«
»Selber schuld«, sagte sie lachend. »Du hast mir den Wagen geschenkt.«
»Ich biete dir dafür meine Harley-Davidson an.«
»Keine Chance.« Sie winkte fröhlich. »Sei rechtzeitig zu Hause. Wir sind an der Barbary Coast verabredet, wo wir uns unters gemeine Volk mischen und eine dieser skandalösen Tanzrevuen anschauen wollen.«
»Ich kann es kaum erwarten«, sagte er sarkastisch. Er trat auf den Bürgersteig, bevor er den Koffer losschnallte. Sie sah, wie er ihn mühsam hochhob, und wusste, dass er mit dem gestohlenen Bargeld aus der Bank von Salt Lake City gefüllt war.
Als sie auf das Gaspedal drückte, schoss der Mercedes Simplex mit Kettenantrieb über die Kreuzung und brauste die Straße entlang, wobei das Röhren des Auspuffs beinahe die Fensterscheiben der Geschäfte zerspringen ließ.
Der Bankräuber drehte sich um und blickte stolz auf das große, kunstvoll dekorierte Gebäude der Cromwell Bank mit den hohen, kannelierten ionischen Säulen und großen Buntglasfenstern. Ein Türsteher in grauer Uniform öffnete ihm eine der großen Glastüren. Er war ein großer Mann mit grauem Haar und militärischer Haltung, was von seinen dreißig Jahren bei der US-amerikanischen Kavallerie herrührte.
»Guten Morgen, Mr. Cromwell. Schön, dass Sie aus dem Urlaub zurück sind.«
»Schön, wieder hier zu sein, George. Wie war das Wetter, während ich weg war?«
»Genau wie heute, Sir: sonnig und mild.« George blickte auf den großen Koffer. »Soll ich den für Sie tragen, Sir?«
»Nein, danke. Es geht schon. Ich kann ein bisschen Training vertragen.«
Ein kleines Messingschild bezifferte das Kapital der Bank auf zweiundzwanzig Millionen Dollar. Bald würden es dreiundzwanzig sein, dachte Cromwell. Nur die fünfzig Jahre alte Wells Fargo Bank hatte mehr Anlagen, Kapital und eine höhere Liquidität. George öffnete die Tür, und Cromwell, der Bankräuber, ging über den Marmorfußboden der Eingangshalle, vorbei an den wunderbar geschnitzten Schreibtischen der Direktoren, den Kassenfenstern und unvergitterten, für die Kunden frei zugänglichen Schaltern. Die offenen Kassenschalter waren eine seltsame Neuerung für einen Mann, der niemandem traute und kleine Banken ausraubte, um sein eigenes Finanzimperium aufzubauen.
Tatsache war jedoch, dass Jacob Cromwell die zusätzlichen Einlagen, die er für seine Bank gestohlen hatte, gar nicht mehr brauchte. Aber er war von der Herausforderung regelrecht berauscht. Er fühlte sich unbesiegbar. Er
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