Höllenjagd
zog Wildlederhandschuhe an.
Dann bückte er sich, packte den Griff der Falltür im Boden des Güterwaggons und zog sie hoch. Er schob einen großen, schweren Koffer durch die Öffnung, dann glitt er selbst langsam auf das Deck zwischen den Gleisen hinab, wobei er darauf achtete, sich nicht schmutzig zu machen. Zusammengekauert unter dem Waggon vergewisserte er sich, dass niemand von der Crew in der Nähe war, bevor er darunter hervorkroch und sich aufrichtete.
Als Ruskin jedoch eine Treppe zum Kabinendeck hinaufstieg, wo sich die Passagiere aufhielten, kam ihm ein Crewmitglied entgegen. Der Mann blieb stehen und nickte ihm mit einem ernsten Ausdruck im Gesicht zu.
»Ist Ihnen bekannt, dass Passagiere das Hauptdeck nicht betreten dürfen?«
»Ja, dessen bin ich mir bewusst.« Der Gangster lächelte. »Ich habe meinen Irrtum bemerkt, und wie Sie sehen, wollte ich auf das Kabinendeck zurückkehren.«
»Tut mir leid, wenn ich Sie belästigt habe, Sir.«
»Aber nicht doch. Sie tun nur Ihre Pflicht.«
Der Gangster ging weiter die Treppe hinauf und trat auf das luxuriöse Kabinendeck, wo die Passagiere die Bucht stilvoll überquerten. Er ging in das Restaurant und bestellte eine Tasse Tee, trat dann hinaus auf das offene Vorderdeck und nippte an dem Tee, während er die größer werdenden Gebäude von San Francisco auf der anderen Seite der Bucht betrachtete.
Die Stadt an der Bucht hatte sich zu einem faszinierenden romantischen und kosmopolitischen Ort entwickelt. Seit 1900 war sie stark angewachsen und als Finanz- und Warenumschlagplatz zum Mittelpunkt des Westens geworden. Sie war unter dem vorausschauenden Blick von Unternehmern wie jenem makellos gekleideten Herrn, der mit dem riesigen Koffer auf dem Vordeck stand, errichtet worden. Er, wie die anderen auch, hatte eine Gelegenheit gesehen und war sogleich nach San Francisco umgesiedelt, um sie beim Schöpfe zu packen.
Schließlich warf er die Tasse einfach über Bord, anstatt sie ins Restaurant zurückzubringen. Reglos beobachtete er einen Schwärm Strandläufer, die an dem Schiff vorbeiflogen, gefolgt von einem Trio brauner Pelikane, die auf der Suche nach kleinen Fischen wenige Zentimeter über der Wasseroberfläche dahinglitten.
Anschließend mischte er sich unter die Menge, die über die vordere Treppe auf das Hauptdeck hinabströmte. Von dort gelangten die Passagiere vom Schiff auf den Pier gegenüber des großen, in spanischem Stil verzierten Endbahnhofs der Southern Pacific.
Mit dem schweren Koffer in der Hand marschierte er zügig durch die Halle des Terminals hinaus auf die Townsend Street. Dort blieb er ein paar Minuten stehen und wartete. Er lächelte, als ein weißer Mercedes Simplex mit quietschenden Reifen direkt vor ihm an der Bordsteinkante anhielt. Unter der Motorhaube befand sich ein Vierzylindermotor mit 60 PS, der den Wagen auf 130 Stundenkilometer brachte. Es war eine großartige Konstruktion aus Stahl, Messing, Holz, Leder und Gummi. Und das Ding zu fahren war das reinste Abenteuer.
Genauso wie der Wagen ein auffälliges Bild abgab, tat es ebenfalls die Frau hinter dem Lenkrad. Sie war schlank und hatte eine Wespentaille. Ihr rotes Haar war mit einer großen roten Schleife geschmückt, die zu der feurigen Haarfarbe passte. Ihre Haube war unter dem Kinn zusammengebunden, damit sie nicht wegflog, und sie trug ein Leinenkleid, das ihr nur halb bis über die Waden reichte, damit sie problemlos die fünf Fußpedale bedienen konnte. Sie nahm eine Hand vom Lenkrad und winkte.
»Hallo, Bruderherz. Du kommst anderthalb Stunden zu spät.«
»Ich grüße dich, mein Schwesterchen«, sagte er lächelnd. »Ich bin nur so schnell vorangekommen, wie der Lokführer gefahren ist.«
Sie hielt ihm die Wange hin, und er küsste sie gehorsam. Sie sog seinen Duft ein. Er benutzte immer dieses französische Eau de Cologne, das sie ihm geschenkt hatte. Es roch wie ein Blumenmeer nach einem leichten Abendregen. Wäre er nicht ihr Bruder gewesen, sie hätte vielleicht eine Affäre mit ihm angefangen.
»Ich nehme an, deine Reise war erfolgreich.«
»Ja«, sagte er, während er den Koffer auf dem Trittbrett festschnallte. »Wir haben keine Minute zu verlieren.« Er setzte sich auf den Beifahrersitz aus braunem Leder. »Ich muss den Wechsel von der Salt Lake City Bank and Trust einlösen, bevor irgendwelche Ermittler auftauchen, um die Auszahlung zu verhindern.«
Sie drückte einen geschnürten braunen Lederschuh auf das Gaspedal und lenkte geschickt,
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