Höllenjagd
waren. Während der neun Tage seit Beginn seiner Suche hatte er die Bücher vier verschiedener Eisenbahnlinien und der Wells Fargo Postkutschenlinien durchstöbert, um einen Hinweis darauf zu finden, wie der Schlächter einer Verhaftung entgehen konnte, nachdem er die Banküberfälle und abscheulichen Morde begangen hatte.
Es war vergebene Liebesmüh. Nichts passte zusammen. Er hatte mit den Postkutschen angefangen. Die meisten Postkutschenlinien waren 1906 stillgelegt worden. Wells Fargo hatte noch immer das Monopol und unterhielt Strecken von mehreren tausend Kilometern mit Überland- expressrouten in abgelegene Gegenden, wo keine Eisenbahn hinführte. Doch die Fahrpläne stimmten nicht mit den entsprechenden Zeiten überein.
Im Jahr 1906 gab es landesweit 1600 verschiedene Eisenbahnunternehmen mit insgesamt 350000 Kilometern Bahngleisen. Fünfzig der größten besaßen jeweils 1600 Kilometer Bahngleise. Curtis hatte die Zahl der Firmen auf fünf reduziert. Es waren die Bahnlinien mit fahrplanmäßigen Zügen durch die Städte, die von dem Bankräuber heimgesucht worden waren.
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
Curtis blickte von einem Fahrplan auf und in das Gesicht eines kleinen Mannes, der höchstens einen Meter fünfundfünfzig groß war. Sein Name war Nicolas Culhane, und er trug sein grau gesträhntes braunes Haar nach vorn gekämmt, um die fortschreitende Kahlheit zu verdecken. Seine braunen Augen, die an ein Frettchen erinnerten, bewegten sich flink hin und her, und er trug einen schmalen Schnauzbart, dessen Enden auf beiden Seiten gut zwei Zentimeter über die Lippen hinausragten. Er ging mit leicht gebeugter Haltung und trug eine Brille, deren Gläser seine Augen vergrößerten. Curtis amüsierte sich über den hilfsbereiten kleinen Mann mit dem federnden Gang. Er war das perfekte Klischee des Hüters muffiger Bücher in einem Archiv.
»Nein, danke.« Curtis warf einen Blick auf seine Taschenuhr. »Ich trinke nachmittags keinen Kaffee mehr.«
»Irgendwas gefunden?«, fragte Culhane.
Curtis schüttelte resigniert den Kopf. »Da ist kein Personenzug abgefahren, kurz nachdem der Bandit die Banken ausgeraubt hat.«
»Ich bete, dass Sie diesen miesen Verbrecher finden«, sagte Culhane, dessen Stimme plötzlich wütend klang.
»Sie klingen, als würden Sie ihn hassen?«
»Ich hege einen persönlichen Groll gegen ihn.«
»Persönlich?«
Culhane nickte. »Meine liebste Cousine und ihr kleiner Sohn wurden von dem Schlächter in der Bank in McDowell, New Mexico, ermordet.«
»Das tut mir sehr leid«, sagte Curtis ernst.
»Sie müssen ihn kriegen und hängen!« Culhane schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass das geöffnete Fahrplanbuch hüpfte und ein paar Seiten umschlugen. »Der Verbrecher ist schon viel zu lange ungeschoren davongekommen.«
»Ich versichere Ihnen, dass die Agenten der Van Dorn Detective Agency Tag und Nacht arbeiten, um ihn seiner gerechten Strafe zuzuführen.«
»Haben Sie schon irgendetwas gefunden, das auf seine Spur führen könnte?«, fragte Culhane.
In einer hilflosen Geste hob Curtis die Hände. »Alles, was wir herausgefunden haben, ist, dass ihm der kleine Finger an der linken Hand fehlt. Abgesehen davon haben wir nichts.«
»Haben Sie die Postkutschenlinien überprüft?«
»Ich war einen ganzen Tag im Archiv von Wells Fargo. Aber ohne Erfolg. Auf keinem der Fahrpläne fand sich eine Postkutsche, die innerhalb von vier Stunden nach dem Banküberfall die jeweilige Stadt verlassen hätte.«
»Und die Personenzüge?«
»Die Sheriffs und Marshalls haben an die umliegenden Städte telegrafiert, sämtliche Züge anzuhalten und die Fahrgäste nach einem verdächtigen Individuum zu überprüfen. Sie haben sogar das Gepäck durchsucht, in der Hoffnung, dass eine der Taschen vielleicht das gestohlene Bargeld enthält, doch sie haben weder etwas gefunden, noch irgendjemanden identifiziert. Der Verbrecher war zu schlau, die Verkleidung, die er benutzt hat, um zu rauben und zu morden, zu raffiniert. Die Gesetzeshüter hatten wenig oder nichts, dem sie hätten nachgehen können.«
»Haben die Fahrpläne der Eisenbahnen etwas ergeben?«
»Nur zwei«, erwiderte Curtis müde. »Die Abfahrtszeiten der anderen stimmten nicht mit den Überfällen überein.«
Culhane strich sich nachdenklich über das dünne Haar. »Sie können also Postkutschen und Personenzüge ausschließen. Was ist mit den Güterzügen?«
»Güterzügen?«
»Haben Sie deren Abfahrtszeiten
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