Höllenjagd
Er bemerkte ein paar Leute, die er kannte, deutete ein Lächeln an und neigte gnädig den Kopf, während das Paar zu einem Tisch in der Mitte des Speisesaals geführt wurde, der von den anderen Gästen bestens zu sehen war. Es war ein einstudierter Auftritt, der mit höchster Eleganz absolviert wurde.
»Wer ist das Paar, das gerade seinen großen Auftritt hatte?«, wollte Bell von Bronson wissen.
»Das ist Jacob Cromwell, der Besitzer der Cromwell National Bank. Er ist Mitglied des Bohemian Club. Die attraktive Frau an seiner Seite ist seine Schwester.«
»Schwester?«
»Ja, sie heißt Margaret, ein Mitglied der gehobenen Gesellschaft. Sie engagiert sich in der Wohltätigkeitsarbeit. Sie und ihr Bruder sind sehr wohlhabend und einflussreich. Sie wohnen in Nob Hill.«
»Ihr Name ist also Margaret Cromwell«, sagte Bell ruhig. »Ich habe sie in Denver als Rose Manteca kennengelernt.«
Irvine blickte Bell an. »Die Frau, von der Sie uns erzählt haben, dass sie für den Schlächter spioniert hat?«
»Wenn sie keine Zwillingsschwester hat«, antwortete Bell, »ist sie das.«
»Unmöglich«, sagte Bronson in spöttischem Ton. »Diese Unterstellung ist absolut lächerlich. Sie und ihr Bruder tun mehr für San Francisco als die Hälfte aller wohlhabenden Leute in der Stadt zusammen. Sie unterstützen Waisenhäuser, den Tierschutzbund für entlaufene und streunende Tiere und die Stadtverschönerung. Sie spenden großzügig für ehrenwerte Dinge. Sie sind hochgeschätzt und angesehen.«
»Eins ist nicht von der Hand zu weisen«, sagte Curtis. »Wenn die Cromwells eine große Bank in San Francisco besitzen und bereits wohlhabend sind, was hätten sie dann davon, zu rauben und zu töten?«
»Ist Miss Cromwell verheiratet?«, fragte Bell.
»Nein, sie ist alleinstehend und sie hat den Ruf, eine Abenteurerin zu sein.«
»Könnte es sein, dass Sie sich geirrt haben und sie doch nicht für den Verbrecher spioniert?«, gab Irvine zu bedenken.
Bell betrachtete eingehend Margaret Cromwells Gesicht. Sie schien mit ihrem Bruder ins Gespräch vertieft und sah nicht in seine Richtung. »Ich könnte mich täuschen«, murmelte er nicht sehr überzeugt. »Dann aber wäre die Ähnlichkeit zwischen ihr und der Frau, der ich in Denver begegnet bin, geradezu unheimlich.«
»Ich kenne Cromwell persönlich«, sagte Bronson. »Er hat mit Van Dorn zusammengearbeitet, um einen Bankenschwindel aufzuklären, den eine Betrügerbande dazu benutzt hat, Geschäftsinhaber um ihr Geld zu prellen. Ich werde Sie vorstellen.«
Bell schüttelte den Kopf und stand auf. »Bemühen Sie sich nicht. Ich mache es selbst.«
Er stand auf und ging zwischen den Stühlen zum Tisch der Cromwells hinüber. Er näherte sich absichtlich schräg von hinten, sodass Margaret ihn nicht sehen konnte. Er ignorierte Cromwell, blickte mit einem herablassenden Lächeln auf sie hinab und fragte sich, wie sie wohl reagieren würde. »Verzeihung, Miss Cromwell, aber ich glaube, wir sind uns in Denver schon einmal begegnet. Mein Name ist Isaac Bell.«
Sie wurde stocksteif, drehte sich aber nicht um. Sie starrte mit unergründlichem Ausdruck über den Tisch zu ihrem Bruder hinüber; vielleicht war es Überraschung oder Bestürzung, jedenfalls wirkte sie ziemlich schockiert. Doch sie hatte sich in Sekundenschnelle wieder gefasst.
»Tut mir leid, aber ich kenne keinen Isaac Bell.« Ihre Stimme war fest, ohne das leiseste Zittern, doch sie sprach, ohne ihn anzuschauen. Sie wusste, es würde sie wie ein Schlag in die Magengrube treffen, wenn sie es täte. Sie war froh, dass sie nicht stand, denn ihre Knie wären weich wie Gummi geworden.
»Verzeihen Sie bitte«, sagte Bell, der sich aufgrund ihrer Reaktion nun ganz sicher war, dass sie die Frau war, die er als Rose Manteca kannte. »Ich muss Sie verwechselt haben.«
Cromwell war höflicherweise aufgestanden und hielt seine Serviette in der Hand. Er blickte Bell an wie ein Preisboxer, der seinen Gegner vor dem Einläuten der ersten Runde taxierte. Er zeigte nicht das leiseste Anzeichen von Überraschung oder Verwirrung und streckte ihm die Hand entgegen. »Jacob Cromwell, Mr. Bell. Sind Sie Mitglied dieses Clubs?«
»Nein, ein Gast von Horace Bronson von der Van Dorn Detective Agency.«
Bell schüttelte Cromwells Hand und fand es seltsam, dass der Bankier zum Essen die Handschuhe anbehielt. Seine jahrelange Erfahrung als Ermittler ließ ihn automatisch auf den kleinen Finger des linken Handschuhs blicken. Doch er sah völlig
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