Höllenjagd
es ziemlich anmaßend von mir ist, doch Sie machen den Eindruck einer unternehmungslustigen Dame, und ich habe mich gefragt, ob Sie vielleicht mögliche Bedenken in den Wind schlagen könnten, um heute Abend mit mir essen zu gehen.«
Ihr erster Impuls war, ihn zurückzuweisen, doch irgendeine verbotene Tür hatte sich geöffnet, und in ihr kämpfte das Begehren gegen ihre Grundsätze an. »Es ist mir nicht erlaubt, Bankkunden zu treffen. Und wie soll ich überhaupt wissen, ob ich einem völlig Fremden trauen kann?«
Er lachte und beugte sich zu ihr hinunter. »Erstens bin ich kein Bankkunde. Und zweitens: Wem können Sie überhaupt noch trauen, wenn nicht einem sympathischen Detektiv?« Er streckte die Hand aus und nahm ihre.
Eine beängstigende Welle des Verlangens schwappte über sie hinweg, während sie vergeblich dagegen ankämpfte. Ihre letzte Barriere fiel, und ihre Zurückhaltung löste sich in Luft auf.
»Einverstanden«, hörte sie sich sagen, als würde sie einer Fremden zuhören. »Ich verlasse das Büro um fünf.«
»Gut«, sagte er, ein wenig zu begeistert, wie er fand. »Ich erwarte Sie am Haupteingang.«
Sie schaute ihm nach, wie er zum Aufzug ging. »Mein Gott«, murmelte sie. »Ich muss verrückt sein, mit einem völlig Fremden zum Abendessen zu gehen.«
Doch während sie sich selbst dafür tadelte, hatte sie gleichzeitig ein Funkeln in den Augen.
Irvine wartete am Aufzug auf Bell. »Gab es irgendein Problem?«
»Ich habe mich mit Cromwells Sekretärin zum Abendessen verabredet.«
»Sie verschwenden keine Zeit«, sagte Irvine.
Bell grinste. »Es hat sich irgendwie ergeben.«
»Wie ich Sie kenne, machen Sie das nicht ohne Hintergedanken.«
»Man könnte sagen, dass ich Geschäft und Vergnügen vermische.«
»Sie spielen mit dem Feuer«, sagte Irvine warnend. »Wenn sie dahinterkommt, dass Sie sie benutzen, um in Cromwells Angelegenheiten herumzuschnüffeln, gibt es Ärger.«
»Darüber mache ich mir Gedanken, wenn es so weit ist«, sagte Bell sorglos.
Auf der Rückfahrt zum Hotel waren Bells Gedanken nicht so sehr beim geschäftlichen Teil des bevorstehenden Abends, sondern eher beim vergnüglichen.
20
Marion konnte es sich nicht erklären. Es war ein Gefühl, das sie nicht mehr gehabt hatte, seit ein Junge in der Schule, der damals ihr Schwärm gewesen war, sie angelächelt hatte. Das war alles gewesen. Er hatte sich ihr nie genähert öder sie angesprochen. Jetzt, da sie an einem intimen Tisch für zwei saß, fühlte sie sich so schwindlig wie damals als Schulmädchen.
Bell hatte sie um Punkt fünf Uhr mit einem motorisierten Taxi vor der Cromwell Bank abgeholt. Der Fahrer brachte sie direkt zu einem siebenstöckigen Gebäude, in dem sich das berühmteste französische Restaurant der Stadt befand, das Delmonico's. Sie bestiegen einen Aufzug, der sie ins oberste Stockwerk brachte, wo sie der Saalchef in einen privaten Speisesaal mit einem riesigen Panoramafenster führte, von dem aus man die ganze Stadt und die Bucht überblicken konnte.
Leute, die es sich leisten konnten, dachten sich nichts dabei, ein Menü mit zehn Gängen zu bestellen, jeder Gang begleitet von einem anderen Wein. Bell orderte Austern á la Rockefeller mit einer würzigen Currysoße, gefolgt von einer aromatischen Brühe, pochiertem Stör aus den Großen Seen, Froschschenkeln á la Poulette, Schweinskoteletts, Huhn Kiew, diversem gebratenen Wildgeflügel, gekochten Kartoffeln und Erbsenpüree.
Marion hatte noch nie in ihrem Leben so opulent gegessen. Es stimmte, dass sie von den begehrtesten und betuchtesten Junggesellen der Stadt zum Essen ausgeführt worden war, doch keiner von ihnen war je so freigebig gewesen wie Isaac Bell. Sie war überaus froh, dass die Portionen klein waren, doch sie bereute es nicht, ihr Korsett vorher ein wenig gelockert zu haben.
Als Dessert bestellte Bell Crêpes Suzette, die flambierte Delikatesse mit Orangenaroma. Als der Kellner an ihrem Tisch stand und fachmännisch die flambierte Sauce auf die Crêpes schöpfte, zwang sich Marion, Bell in die Augen zu sehen.
»Darf ich Sie etwas fragen, Mr. Bell?«
Sein Lächeln war einnehmend. »Ich glaube, wir kennen uns inzwischen gut genug, dass Sie mich Isaac nennen können.«
»Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich Mr. Bell vorziehen«, sagte sie, weil sie es für angemessen hielt.
Sein Lächeln verschwand nicht. »Wie Sie wünschen.«
»Wie können Sie sich das alles von einem Detektivgehalt leisten?«
Er lachte. »Würden
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