Höllenjagd
Junction sämtliche Züge, die Richtung Osten und Westen fuhren, von seinen Leuten durchsuchen lassen, aber keine Spur von zwei Frauen entdeckt, die gemeinsam gereist wären.«
Bell stützte sich auf einen Stock, den Pardee ihm gegeben hatte. »So allmählich begreife ich, wie der Gangster tickt. Er hat wieder Männerkleidung angezogen und seine Schwester ebenfalls in Männersachen gesteckt. Der Bezirkspolizeichef, der nach zwei Frauen Ausschau hielt, hat sie nie verdächtigt.«
»Ein schlauer Kerl, dieser Cromwell.«
»Ja«, musste Bell eingestehen, »das ist er.«
»Wohin gehen Sie jetzt?«, fragte Pardee.
»Zurück nach Denver, um wieder von vorn anzufangen.«
»Zumindest kennen Sie jetzt Identität und Namen des Gangsters.«
»Ja, aber es ist unmöglich, daraus eine Anklage zu stricken. Kein Bundesstaatsanwalt würde bei der kargen Beweislage seine Zeit auf eine Anklageschrift verschwenden.«
»Sie werden ihn kriegen«, sagte Pardee zuversichtlich.
»Jetzt, da wir auch einen persönlichen Grund haben, ihn am Galgen zu sehen, werden wir uns erst recht ins Zeug legen«, versprach Bell.
Als Bell und Curtis am späten Abend in Denver eintrafen, wartete dort ein Leichenwagen, um Irvine zur örtlichen Leichenhalle zu bringen.
»Er war mein bester Freund«, sagte Curtis. »Ich werde seiner Mutter mein Beileid aussprechen und mich um die Beerdigung kümmern.«
»Danke«, sagte Bell. »Ich übernehme die Kosten.«
Bell nahm ein Taxi zum Brown Palace Hotel. In seiner Suite zog er sich aus und entspannte sich in einer heißen Badewanne, wobei er sein verletztes Bein auf den Rand legte, damit der Verband nicht feucht wurde. Er schloss die Augen und ließ die Ereignisse der letzten Tage Revue passieren. Er wusste jetzt, dass die Frau, an der er im New Sheridan Hotel vorbeigegangen war, Margaret Cromwell gewesen war. Als ihr Bruder die Bank durch den Haupteingang betreten hatte, hatte sie mit Kutsche und Pferd am Hintereingang gewartet. Es stieß ihn ab, sich Cromwell in Frauenkleidern vorzustellen, doch er konnte nicht umhin, die Raffinesse des Schlächters zu bewundern. Das Gleisbett entlangzufahren, um Sheriff Pardees Suchtrupp zu entgehen, war ein Geniestreich.
Zuerst dachte Bell, dass Cromwell das Schicksal nicht mit einem weiteren Banküberfall herausfordern würde.
Die Möglichkeit schien äußerst gering, doch wie bei allen Verbrechern, mit denen Bell zu tun gehabt hatte, konnte er sich immer besser in Cromwell hineinversetzen. Er übte sich darin, so zu denken wie der Gangster. Und je länger Bell dies tat, desto mehr war er davon überzeugt, dass Cromwell glaubte, unbesiegbar zu sein - und dass ihm erst recht die Agenten der Van Dorn Detective Agency nicht das Wasser reichen konnten.
Die nächsten Schritte mussten gut überlegt sein. Als er in Gedanken verschiedene Szenarien durchspielte, wie er genug Beweise beibringen könnte, um Cromwell zu verhaften, klopfte es auf einmal an der Tür. Er stützte sich auf sein gesundes Bein, und nach einem kurzen Schwindelanfall, bedingt durch seine Kopfverletzung, stand er auf, kletterte umständlich aus der Badewanne, zog einen Morgenrock über und humpelte zur Tür. Als er sie öffnete, war er überrascht, Joseph Van Dorn im Flur stehen zu sehen.
Van Dorn blickte auf den Verband um Bells Kopf, der an einer Stelle rot verfärbt war, und lächelte dünn. »Sie sind ein trauriger Anblick.«
»Kommen Sie herein, Sir, und machen Sie es sich gemütlich.«
Van Dorn musterte seinen verletzten Agenten. Er war besorgt, doch er versuchte gelassen zu wirken. »Tut es sehr weh?«
»Nichts, wogegen Aspirin nicht helfen könnte.«
Van Dorn betrat die Suite und sah sich um. »Ich mag Agenten, die stilvoll reisen, solange es nicht mein Geld ist.«
»Soll ich den Zimmerservice rufen und Ihnen etwas zu essen oder zu trinken bestellen?«
Van Dorn winkte ab. »Danke, aber ich habe gerade im Zug von Chicago nach Denver gegessen. Doch ein Glas Portwein wäre jetzt genau das Richtige.«
Bell gab die Bestellung telefonisch an den Zimmerservice durch und legte auf. »Ich habe nicht erwartet, dass der Oberboss über 1500 Kilometer weit fährt, nur um mich zu sehen.«
»Eine Lagebesprechung scheint mir für die weiteren Ermittlungen unerlässlich.« Van Dorn ließ sich in einen dick gepolsterten Sessel sinken. »Ich möchte einen genauen Bericht und nicht nur ein paar magere Worte per Telegramm. Also erzählen Sie mir, was in Telluride passiert ist, und lassen Sie nichts
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