Höllenjagd
als käme ihm die Kundin bekannt vor. Bell war ein Meister, wenn es darum ging, Personen zu identifizieren, und was Gesichter betraf, hatte er ein fotografisches Gedächtnis. Seine Augen verrieten, dass er sich daran zu erinnern versuchte, wo er die Frau schon einmal gesehen hatte. Dann fiel sein Blick auf Cromwells Hände, die in Lederhandschuhen steckten. Und plötzlich, als hätte er eine Eingebung, wurde ihm klar, dass er den Bankräuber vor sich sah. Es traf ihn wie ein Keulenschlag. Bells Augen weiteten sich, und er stieß hervor: »Sie!«
Cromwell zögerte keine Sekunde. Er fasste in seine große Leinentasche und zog eine Colt-Pistole Kaliber 3 8 heraus, deren Lauf mit schwerem Leinenstoff umwickelt war. Ohne das geringste Zögern richtete er die Pistole auf Irvines Brust und drückte ab. Ein dumpfer Knall schallte durch die Bankhalle. Dann schwang er den Lauf herum und schoss auf Bell, noch bevor Irvine wie eine Stoffpuppe zu Boden stürzte.
Wenn Bell nicht instinktiv herumgewirbelt und über den Schreibtisch gehechtet wäre, hinter dem er zu Boden ging, hätte ihn die Kugel in den Bauch getroffen. Der gewagte Sprung rettete ihn, doch die Kugel durchschlug seinen Oberschenkelmuskel. Er achtete kaum auf den plötzlichen Schmerz und griff in einer einzigen Bewegung nach oben und riss seine Colt-Pistole aus der Schreibtischschublade. Ohne zu zielen, gab er einen Schuss auf Cromwell ab und verfehlte dessen Hals nur um Zentimeter.
Dann feuerten beide Männer blitzschnell noch einmal, wobei die Schüsse so zeitnah fielen, dass sie wie ein einziger klangen.
Cromwells zweite Kugel streifte Bell an der rechten Kopfseite. Bells Blick verschwamm, und er fiel in den dunklen Brunnen der Bewusstlosigkeit. Blut sickerte aus der Wunde über seine rechte Gesichtshälfte. Es war keine schwere Verletzung, doch für Cromwell, der immer noch auf den Beinen war, sah es so aus, als hätte er Bell den halben Kopf weggeschossen.
Der Verbrecher hatte den Schusswechsel nicht unversehrt überstanden. Bells Kugel hatte Cromwell am Bauch erwischt, war jedoch durchgegangen, ohne ein Organ zu verletzen. Er schwankte, und nur weil er seine Hand ausstreckte und sich an der Kassiererkabine festklammerte, ging er nicht zu Boden. Dort blieb er einen Moment lang stehen und kämpfte mit dem Schmerz. Dann drehte er sich um, schloss die Hintertür auf und trat beiseite, als Margaret hereinstürzte.
»Ich habe draußen Schüsse gehört!«, rief sie bestürzt. »Was ist schiefgelaufen?«
»Es war eine Falle«, murmelte er, während sich seine Wut in Angst verwandelte. Mit einer Hand auf der Wunde zeigte er mit der Pistole auf den Boden des Büros. »Ich habe Isaac Bell getötet.«
Margaret betrat das Büro und blickte auf den blutenden Van-Dorn-Agenten, und ein Ausdruck des Entsetzens trat in ihre Augen, als sie Bell trotz des blutüberströmten Gesichts erkannte. »O Gott!« Sie spürte, wie ihr schlecht wurde, doch die Übelkeit verschwand schlagartig, als sie sich umdrehte und sah, dass ihr Bruder ebenfalls blutete.
»Du bist ja verletzt!«, keuchte sie.
»Nicht so schwer, wie es aussieht«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Wir müssen von hier verschwinden. Die Schüsse werden den Sheriff anlocken und die halbe Stadt aufscheuchen.«
Halb trug und halb schleifte Margaret ihren verletzten Bruder durch die Hintertür der Bank. Draußen wartete der Einspänner. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um ihn auf den Kutschbock zu hieven. Dann band sie das Pferd vom Pfosten los und kletterte ebenfalls hinauf.
Sie hob die Peitsche, um das Pferd zu einem Galopp anzutreiben, doch ihr Bruder packte ihr Handgelenk. »Nein, fahr langsam, als wären wir zwei Frauen, die eine Kutschfahrt unternehmen. Es würde verdächtig aussehen, wenn wir einfach davonpreschen.«
»Der Sheriff ist ein intelligenter Mann. Ich kenne ihn. Er lässt sich nicht so leicht austricksen.«
»Selbst ein intelligenter Mann wird niemals eine Frau verdächtigen, eine Bank ausgeraubt und zwei Kerle getötet zu haben«, brummte Cromwell.
Am Ende der Gasse lenkte Margaret den Einspänner in eine Seitenstraße und fuhr dann nach Westen in Richtung Stadtgrenze. Cromwell zog den Wildlederrock aus und drapierte ihn auf seinem Schoß, um das Blut zu verdecken, mit dem sein Pullover getränkt war. Die Pistole steckte er in einen Cowboystiefel und lehnte sich dann zurück. Um bei klarem Verstand zu bleiben, ignorierte er den pochenden Schmerz in seiner Seite.
Bell
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